David J. Epstein: Es lebe der Generalist! (2020) 📙

D

EinfĂŒhrung: Roger vs. Tiger

Die zunehmende Spezialisierung hat ein „System aus parallel verlaufenden GrĂ€ben” geschaffen. „Alle buddeln immer tiefer in ihrem eigenen Graben, richten sich aber selten auf, um ĂŒber ihren aufgeworfenen Erdwall in den Nachbargraben zu blicken, selbst wenn die Lösung zu ihrem Problem dort zu finden ist.” (S. 24)

  • Das trifft definitiv auch fĂŒr die BWL zu.
  • Es wĂ€re Aufgabe der „Neuen BWL”, sich Inspirationen aus den verschiedensten anderen Gebieten zu holen, auch und nicht zuletzt z.B. aus der Kunst.

Kapitel 1: Der Kult um den frĂŒhen Startvorteil

Daniel Kahnemann: „Bei der Untersuchung der Entscheidungen hochqualifizierter Experten stellte er oft fest, dass die Erfahrung keinerlei positive Wirkung hatte – im Gegenteil, oft stĂ€rkte sie zwar das Selbstvertrauen, aber nicht die Kompetenz.” (S. 32)

  • Das gilt wohl auch fĂŒr die Beratung, inkl. GrĂŒndungsberatung. Erfahrene Berater beraten nicht per se besser.
  • „LangjĂ€hrige Erfahrung hat „schlichtweg keine kompetenzsteigernde Wirkung. Auf diesen Gebieten, die mit der Beurteilung des menschlichen Verhaltens zu tun haben und auf denen sich keine eindeutigen wiederkehrenden Muster feststellen lassen, fĂŒhrte Wiederholung nicht zu Lernprozessen.” (S. 33)
  • => Ein GrĂŒndungsberater „lernt” nichts aus den GrĂŒnder*innen, die er betreut, weil es keine eindeutigen Muster gibt. 
  • Ich wage zu behaupten: Was die Voraussage des Erfolges einer GrĂŒndungsidee betrifft, liegt ein erfahrener GrĂŒndungsberater nicht besser als ein Newbie. Und wahrscheinlich auch nicht besser als ein Laie, der schlicht rĂ€t.

Robin Hogarth: Lernfreundliche vs. lernunfreundliche Umgebungen

  • „Auf sogenannten lernunfreundlichen Gebieten sind die Spielregeln oft unklar oder unvollstĂ€ndig, es kann wiederkehrende Muster geben oder auch nicht, sie können klar erkennbar sein oder nicht, und das Feedback erfolgt oft mit einer zeitlichen Verzögerung oder ist ungenau oder beides.” (S. 34)
  • In lernunfreundlichen Umgebungen kann es sehr schwer sein, Lektionen aus Erfolgen wie aus Misserfolgen zu ziehen. (S. 277)
  • „In den lernunfreundlichsten Umgebungen wird die Erfahrung genau die falschen Lektionen verstĂ€rken.” (S. 277)
  • „In lernunfreundlichen Umgebungen, die kein automatisches Feedback geben, fĂŒhrt Erfahrung allein nicht zu  einer Leistungssteigerung. Wichtiger sind effektive intellektuelle Gewohnheiten, und diese lassen sich entwickeln.” (S. 277)
  • Das UGP ist fĂŒr die GrĂŒndungsberater*innen definitiv eine lernunfreundliche Umgebung.
  • Gleiches gilt fĂŒr die GrĂŒnder*innen: Die UnternehmensgrĂŒndung und -fĂŒhrung ist eine lernunfreundliche Umgebung.
  • Lernunfreundlich bedeutet: Es ist schwer (aber nicht unmöglich!), was zu lernen. Der Lernprozess ist anstrengend (aber möglich!), und Begleitung in diesem Lernprozess ist wahrscheinlich besonders wertvoll (z.B. um Muster zu erkennen und zu deuten).
  • Es ist eigentlich ein Wahnsinn, dass die UGP-Berater in diesen lernunfreundlichen Umgebungen mit ihren Lernerfahrungen (oder Nicht-Erfahrungen) allein gelassen werden. Von selbst kann keine QualitĂ€tsverbesserung passieren!
  • Buch: Robin Hogarth: Educating Intuition (2001)

Kapitel 2: Wie die lernunfreundliche Welt entstand

BWL als Studium erzeugt keinen Weitblick

  • James Flynn ĂŒber Studenten der London School of Economics: „Bei Verlassen der UniversitĂ€t war ihre kritische DenkfĂ€higkeit nicht besser als zu Studienbeginn.” (S. 65)
  • => BWL ist eine schlechte Grundlage/Vorbereitung fĂŒr Entrepreneurship – und GrĂŒndungsberatung!
  • => WU BSc glauben, dass sie was wissen. Aber sie wissen gar nix!
  • „Betriebswirtschaftsstudenten erzielten allgemein sehr schlechte Ergebnisse, auch auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften.” (S. 66)

Kapitel 4: Kurzfristiges versus nachhaltiges Lernen

Mathematik (// BWL) nach Kochrezept

  • SchĂŒler*innen versuchen oft, ein konzeptionelles Problem, das sie nicht verstehen, in eine Frage des richtigen Verfahrens zu verwandeln. (S. 104)
  • „Wir Menschen versuchen bei der Lösung einer Aufgabe stets, einen Weg zu suchen, der möglichst wenig Aufwand bedeutet.” (Lindsey Richland, S. 104)
  • Nicht das Konzept verstehen und durchschauen wollen, sondern eine schnelle Methodik kennenlernen, wie das Problem aus der Welt geschafft werden kann. Ähnlich: Nicht verstehen, sondern auswendig lernen. Formel nicht herleiten, sondern memorieren. Usw.

Selbst Antworten finden!

  • „Der Zwang, selbst Antworten zu finden, verbessert die nachfolgenden Lernprozesse, auch wenn die Antwort falsch ist. Sogar eine völlig falsche Antwort kann den Lernprozess beflĂŒgeln.” (S. 107f)
  • vgl. Training From The Back Of The Room

Kapitel 5: Gedankliches Neuland

Johannes Kepler: „Ich liebe Analogien, meine treuesten Meister, die mit allen Geheimnissen der Natur vertraut sind, 
 Man sollte sie wirklich nutzen.” (S. 127)

  • Analogien fĂŒr mich nutzen = eine Superpower!

Entfernte Analogien

  • „Je weiter die Analogien von der Problemstellung entfernt waren, desto besser erwies sich das fĂŒr die Strategieentwicklung.” (S. 139)
  • Entfernte Analogien wĂ€ren auch in der Beratung gut!

Kapitel 6: Das Problem mit dem Stehvermögen

Seth Godin: Aufgeben vs. durchhalten

  • „Einen langen Atem zu haben, ist ein Wettbewerbsvorteil fĂŒr jeden, der eine lange Wegstrecke zurĂŒcklegt, aber er sagte, zu wissen, wann man etwas aufgeben muss, sei ein so großer strategischer Vorteil, dass sich jeder eine Liste mit K.-o.-Kriterien machen sollte, bevor er sich auf etwas einlĂ€sst. Der wichtige Trick bestehe darin, dass man eine schonungslose Introspektion betreibe und ehrlich analysiere, ob man aus mangelndem Stehvermögen aufgegeben hat oder aus der intelligenten Erkenntnis, dass es Alternativen gibt, die besser zu einem passen.” (S. 168f)

Dorus van Gogh, Vincent van Goghs Vater, zu seinen Söhnen:

  • „Denkt an all die Felder, die brachliegen, weil kurzsichtige Menschen die Anstrengung gescheut haben.” (S. 178)

Kapitel 7: Der Flirt mit den eigenen verschiedenen Persönlichkeiten

VerÀnderungen

  • „Unsere beruflichen PrĂ€ferenzen und unsere generellen LebensprĂ€ferenzen verĂ€ndern sich, weil wir uns als Menschen verĂ€ndern.” (S. 191)
  • „Die Person, die Sie heute sind, wird sich verĂ€ndern, so wie sich alle Personen, die Sie bereits gewesen sind, verĂ€ndert haben. Das wĂŒrde man nicht vermuten, aber diese Tatsache ist bestens dokumentiert.” (S. 192)
  • Und dennoch sind wir immer wieder wie vor den Kopf gestoßen, wenn wir uns verĂ€ndern oder andere Menschen oder unsere Beziehungen zu ihnen. Als ob wir es nicht besser hĂ€tten wissen sollen.

Kapitel 8: Der Außenseiter-Vorteil

Einstellungseffekt

  • „ein Begriff, der in der Psychologie die Neigung beschreibt, nur vertraute Methoden zur Problemlösung einzusetzen, auch wenn es bessere Methoden gibt.” (S. 215)
  • Gibt es auch im UGP, aber sowas von. Jede*r Berater*in hat Lieblingsthemen und Lieblingsmethoden, die immer wieder eingesetzt werden. Nicht, weil es die besten oder passendsten sind, sondern weil sie es gewohnt sind.
  • Darum ist es wahrscheinlich auch schwierig, Berater*innen neue Methoden zu lehren. Sie werden tendenziell immer wieder auf das Altbekannte zurĂŒckfallen. 
  • Kann man das durch Inspiration von außerhalb (fachfremdes Gebiet) aufbrechen? Mit Analogien aus anderen Bereichen?

Kapitel 10: Profundes Fachwissen kann tÀuschen

Experten sind fĂŒrchterliche Weissager

  • „Die durchschnittlichen Experten waren fĂŒrchterliche Weissager. […] Sie trafen gleichermaßen schlechte kurzfristige wie langfristige Prognosen, und das galt fĂŒr Experten aus allen Fachgebieten.” (S. 264)
  • „Amateure, die an den Experten gemessen wurden, waren zwar auch keine besseren Weissager, aber zumindest waren sie zurĂŒckhaltender, was den kategorischen Ausschluss zukĂŒnftiger Ereignisse beziehungsweise ihr gesichertes Eintreffen betraf [
].” (S. 264)
  • „Viele Experten weiterten sich selbst angesichts der tatsĂ€chlichen Ergebnisse, systematische SchwĂ€chen in der UrteilsfĂ€higkeit anzuerkennen.” (S. 264)
  • „Je grĂ¶ĂŸer die Wahrscheinlichkeit, dass die Prognose eines Experten im Fernsehen oder einem Leitartikel veröffentlicht wurde, desto grĂ¶ĂŸer die Wahrscheinlichkeit, dass sie falsch war.” (S. 265)

Wir wollen Gegenargumente nicht wahrnehmen

  • „[Es] weigerten sich zwei Drittel, ĂŒberhaupt einen Blick auf die Gegenargumente zu werfen, geschweige denn, ernsthaft ĂŒber sie nachzudenken. Die Aversion gegenĂŒber anderen Meinungen ist keine simple Dummheit oder Ignoranz.” (S. 274)
  • „Je mehr Zeit sie auf ein Thema verwenden, desto scheuklappenartiger ihre Reaktion.” (S. 274)

Expertenwissen vs. wissenschaftliche Neugier

  • „Dabei dokumentierte er auch ein Persönlichkeitsmerkmal, das der Neigung zur BestĂ€tigung der eigenen vorgefassten Meinung entgegenwirkt: wissenschaftliche Neugier. Nicht wissenschaftliches Expertenwissen, sondern Neugier.” (S. 274f)
  • „Philip Tetlock und Barbara Mellers stellten unter Beweis, dass Denker, die eine hohe Toleranz fĂŒr Mehrdeutigkeit haben, die besten Prognosen treffen.” (S. 307)
  • „Gute Prognostiker lösen sich von dem vorliegenden Problem, um ganz andere Ereignisse zu betrachten, zu denen oberflĂ€chlich betrachtet keine Verbindung besteht, die aber tiefe strukturelle Ähnlichkeiten aufweisen [
].” (S. 278)
    • vgl. Seth Godin: Dot – connection – dot – connection …

Kapitel 11: Wie man lernt, auf vertraute Instrumente zu verzichten

An PlÀnen festhalten = das Problem

  • „Die Recherchen ĂŒber FlugzeugabstĂŒrze haben zum Beispiel ergeben, dass „ein hĂ€ufiges Muster anzutreffen war, demzufolge die Besatzung beschloss, an ihrem ursprĂŒnglichen Plan festzuhalten”, selbst wenn sich die UmstĂ€nde dramatisch verĂ€ndert hatten.” (S. 298)

Fazit: Erweitern Sie Ihren Horizont

Dinge, an die sich bisher niemand herangewagt hat

  • „Dinge auszuprobieren, an die sich bisher niemand herangewagt hat, ist ein lernunfreundliches Problem. Wenn man sich auf unbekanntes Terrain begibt, gibt es weder etablierte Vorgehensweisen noch ein perfektes Feedbacksystem, an das man sich halten kann.” (S. 346)

Ein Rat

  • „Wenn ich Ihnen also in einem Satz einen Rat geben soll: Haben Sie niemals das GefĂŒhl, Sie wĂŒrden anderen hinterherhinken. […] Vergleichen Sie sich mit der Person, die Sie gestern waren, nicht mit jĂŒngeren Menschen, die Sie nicht sind. Jeder macht in seinem eigenen Tempo Fortschritte; lassen Sie sich also von niemandem das GefĂŒhl geben, Sie wĂŒrden hinterherhinken.” (S. 347)

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