Der Sog von Geschichten

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Ich sitze am Frühstückstisch im Hotel. Um diese Zeit bin ich nicht sehr gesprächig, aber rund um mich wird sich angeregt unterhalten.

Auf dem einen Tisch erzählt eine Frau, wie sie mit der Verlassenschaft ihrer Schwiegermutter umgeht. Welche emotionalen und finanziellen Herausforderungen damit für sie und vor allem für ihren Mann verbunden sind. Wie viel Zeug sich über die Jahre angesammelt hat, und dass die Nachbarn auf die Liegenschaft spitzen, weil sie Wohnraum für ihre Kinder schaffen wollen.

Am anderen Tisch erzählt eine Frau von ihrer Arbeitskollegin, genauer gesagt von deren Tochter. Sie hatte in jungen Jahren Krebs und leidet nun unter Panikattacken. Welche Ursachen und Auswirkungen das alles hat, war der Rote Faden dieser Unterhaltung.

Ich sitze also da, und ich kann nicht anders als zuzuhören. Ich kann mich dem Sog dieser Geschichten. nicht entziehen. Im Grunde interessiert es mich nicht, was da gesprochen wird. Und doch bin ich neugierig, was als nächstes kommt. Wie es weiter geht. Ob es ein Happy End geben wird.

Dabei sind das keine ausgefeilten Geschichten, die da erzählt werden, im Sinne des Storytelling. Es sind ganz normale Alltagsgeschichten. Sie sind zumindest so originell, dass sie erzählenswert sind, aber im Grunde geht es um die ganz gewöhnlichen Dramen des Lebens, die kleineren und die größeren.

Und trotzdem sitze ich da und kann nicht anders als zuzuhören. Nicht, weil die Storyline oder die Dramaturgie so großartig sind, sondern weil es echte Geschichten sind.

Echte Geschichten von echten Menschen.


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