Meine Learnings
- Ignaz Semmelweis hat die Blutvergiftung entdeckt und wie sie ĂŒbertragen wird. NĂ€mlich: Er war Arzt an einer Geburtenstation der Wiener UniversitĂ€tsklinik. Die behandelnden Ărzte sezierten zu Ausbildungszwecken auch Leichen, ohne sich danach die HĂ€nde zu desinfizieren. (Ihre HĂ€nde haben sie sehr wohl gewaschen, aber das reichte nicht.) Dadurch wurden Keime ĂŒbertragen, welche ĂŒber die SchleimhĂ€ute bzw. die GebĂ€rmutter ins Blut der Frauen gelangten und tödliches âKindbettfieberâ auslösten. Diesen Zusammenhang hat Semmelweis entdeckt.
- Seine Entdeckung war bahnbrechend. Sie hat unzÀhligen Menschen das Leben gerettet und die moderne Chirurgie im 20. Jahrhundert erst möglich gemacht.
- Er war aber kein lupenreiner Held. Er war lange zu passiv. Er war viel zu lange schweigsam. Er hat viel zu lange nichts zu seinen Erkenntnissen publiziert. In der Zeit sind viel zu viele Frauen gestorben. Er hÀtte viel mehr tun können, um seine Entdeckung zu verbreiten.
- Es waren seine FĂŒrsprecher, die fĂŒr ihn argumentiert hatten. Aber teilweise mit Fehlern, teilweise fachfremd. Warum hat Semmelweis sich so lange Zeit nicht mehr ins Zeug gelegt?
- Wie so viele Lifestyle Entrepreneure auch hat er viel zu lange geglaubt, dass seine Arbeit fĂŒr sich spricht und sich Vernunft und QualitĂ€t von selbst durchsetzen werden.
- Seth Godin bezieht sich öfter mal auf Ignaz Semmelweis, hat möglicherweise einen falschen Eindruck von Semmelweis und der Ărzteschaft dieser Zeit. Er erzĂ€hlt die Geschichte immer im Zusammenhang mit culture, nĂ€mlich dass die Ărzte die Erkenntnisse von Semmelweis viel zu lange ignoriert hĂ€tten, aus Status- und PrestigegrĂŒnden, wegen people like us donât do things like this. Das stimmt, aber nur teilweise. Ein namhafter Teil der Ărzteschaft hat sofort mit Chlorwaschungen begonnen, nachdem sie Semmelweis verstanden hatten und anerkannten sofort den entscheidenden Unterschied. Aber es gab auch einen renitenten Kern, der sich ignorant und verblendet und justament weigerte, das Offensichtliche anzuerkennen.
- Es stimmt, dass sich Semmelweis der modernen Statistik bedient hat, um seine Erkenntnisse zu beweisen. Das war damals insofern neu, als es in der Medizin bis dato ĂŒblich war, mit MutmaĂungen und Ideen zu âargumentierenâ. Je angesehener ein Professor, desto mehr Gewicht hatte und desto glaubwĂŒrdiger war eine ErklĂ€rung â vollkommen ohne dass ein âBeweisâ nötig gewesen wĂ€re. Das kann man sich in der heutigen Wissenschaft gar nicht mehr vorstellen. Aber andererseits: Genauso befremdlich muss Semmelweisâ Vorgehensweise fĂŒr seine medizinischen Zeitgenossen gewesen sein. Er hat sicher viele vor den Kopf gestoĂen.
- Semmelweis starb tragischerweise selbst an Blutvergiftung. Der Autor behauptet, dass er von missgĂŒnstigen ungarischen Kollegen fĂ€lschlicherweise in eine Wiener âIrrenanstaltâ eingewiesen wurde, um ihn kalt zu stellen. Und dass er in der Anstalt von den Ărzten unfĂ€hig behandelt und den Pflegern körperlich misshandelt wurde, was zu seinem Tod fĂŒhrte.
Meine Notizen
âMan muĂ eine persönliche Beziehung zu einem Thema haben.â (S. 11)
Jozsef Palotay-Purgstaller, ein Lehrer von Semmelweis in seinem Buch âDie Elemente der Philosophieâ (1843) auf die Frage, was von einem SchĂŒler zu fordern sei:
âEr muĂ nicht die Worte des Lehrers beschwören, sondern soll die mitgeteilten GegenstĂ€nde untersuchen, und er denke darĂŒber nach: somit wird er nicht sein GedĂ€chtnis pflegen, sondern seinen Verstand erwecken, was eben ein Hauptziel des Unterrichts ist. Das wissenschaftliche Studium wird von folgenden Regeln beherrscht: nĂ€mlich vom richtigen VerstĂ€ndnis der Einzelheiten, vom Begreifen des Ganzen, von der Forschung der Ursachen und von der Auslegung der Ergebnisse.â (S. 23)
- Was fĂŒr ein hoch modernen Anspruch in der (Hochschul-)PĂ€dagogik, vor fast 200 Jahren formuliert!
- Und: Was fĂŒr ein ambitionierter Anspruch fĂŒr die beste GrĂŒndungsberatung der Welt!
Semmelweis, der Schweigsame: âDrei Jahre waren seit seiner Entdeckung vergangen, und er trat in dieser Zeit nicht ein einziges Mal aufs Podium! Schrieb keinen einzigen Artikel, in dem er seine Entdeckung der Welt bekundete! Trotzdem erwartete Semmelweis, daĂ seine Sache als solche baldmöglichst den Sieg davontrug. Aber warum? Weil er dachte, eine gerechte Sache muss von selbst siegen. Bis bei Semmelweis der Groschen fiel, daĂ er sich geirrt hatte, waren weitere zehn Jahre vergangen. Was er wĂ€hrend dieser Zeit versĂ€umte, kann man bis heute nicht wettmachen.â (S. 42)
âEr wurde im Jahre 1858 40 Jahre alt und begann das Jahrzehnt des fruchtbarsten Mannesalters.â (S. 118)
- Sowas wĂŒrde heute kein Autor mehr schreiben. Das Buch ist ein Kind seiner Zeit. Der Autor war in den Achzigerjahren auch schon ein Senior.
Semmelweis ging es um die Lehre: âSemmelweis brauchte keinen persönlichen Trost oder Anerkennung. Er wollte lediglich seiner Lehre zum Sieg verhelfen, d.h. die Patienten vor dem Tode retten. Seine Person stand immer nur im Hintergrund. Er klagte auch niemals ĂŒber seine Person. Semmelweis taten seine Gegner leid. Er wollte ihnen die Erkenntnis beibringen. Sein Stil, die laufenden Wiederholungen der Angaben oder die Beleuchtung der Daten von allen Seiten sprachen fĂŒr eine psychologische Methode: Er hĂ€mmerte seine Lehre regelrecht in die Köpfe ein.â (S. 132)
Aus einem Brief von Dr. Kugelmann aus Hannover an Semmelweis: Zuspruch ist meist Schweigsam: âVergessen Sie ĂŒbrigens nicht, verehrtester Freund, dass Sie vorwiegend die Stimmen Ihrer Gegner vernehmen, nicht aber erfahren, wie viele sich von Ihnen belehren lassen.â (S. 134)
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