Stefan Klein: Der Sinn des Gebens (2010) 📙

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Meine Notizen

„Wer das beste Ergebnis fĂŒr sich erzielen will, muss es auf das Schlimmste ankommen lassen. Wer hingegen dieses Risiko scheut, nimmt in Kauf, ausgenutzt zu werden.” (S. 42)

  • Das gilt auch und besonders fĂŒr die moderne Arbeitswelt. 
  • Es auf das Schlimmste ankommen zu lassen, ist natĂŒrlich ein Risiko. NatĂŒrlich kann man dabei auch verlieren und böse auf die Nase fallen. Der Punkt ist aber, denke ich, dass die wenigsten Menschen dieses Risiko eingehen wollen und (unterschiedlich frĂŒh) vorher schon klein beigeben werden aus Angst, am Ende als Verlierer dazustehen. Auch derjenige, der es auf das Schlimmste ankommen lĂ€sst, hat Angst vor dem Schlimmsten. Er hat allerdings keine Angst vor dem Prozess, so lange wie möglich zu warten mit dem Nachgeben.

„Der Königsweg scheint darin zu liegen, niemals mehr zu wollen als der andere – und erst gar nicht zu versuchen, schlauer zu sein.” (S. 51)

  • Schlauer sein zu wollen als der andere – und ihn das spĂŒren zu lassen – ist immer eine schlechte Idee. Ganz besonders schlecht ist diese Idee fĂŒr Unternehmer im Umgang mit ihren Kunden. Ja, die Kunden suchen Experten, die schlauer als sie selbst sind, aber sie wollen nicht mit Menschen zusammenarbeiten, die sie spĂŒren lassen, dass sie schlauer sind.

„Deshalb haben wir fĂŒr die bösen wie fĂŒr die guten Absichten unserer Mitmenschen feine Antennen. Unser Verstand ist darauf programmiert, stĂ€ndig die VertrauenswĂŒrdigkeit anderer zu hinterfragen.” (S. 53)

  • „Unsere geradezu reflektorische Wachsamkeit gegenĂŒber Betrugsversuchen legt nahe, dass Menschen diese Strategie [i.e. „Eine Hand wĂ€scht die andere“] nicht nur bewusst verfolgen, sondern verinnerlicht haben. So, wie wir bei einem unerwarteten GerĂ€usch automatisch zusammenzucken, so werden wir auch hellhörig beim geringsten Anzeichen dafĂŒr, dass jemand unser Vertrauen missbrauchen könnte.” (S. 56)
  • Deswegen ist Vertrauen („trust”) die teuerste WĂ€hrung in der heutigen Netzwerk- und Wissensgesellschaft. Menschen wollen mit Menschen zusammenarbeiten, aber nur mit Menschen, denen sie auch vertrauen können. 
  • Viele Menschen sind gebrannte Kinder. Nicht vertrauenswĂŒrdige Unternehmer haben ihr Vertrauen missbraucht, und deswegen haben sie Angst davor, ĂŒberhaupt wieder jemandem Vertrauen zu schenken. Darunter leiden die vertrauenswĂŒrdigen Dienstleister und Berater, und deswegen mĂŒssen sie auch so viel harte Arbeit und Ausdauer in den Beziehungs- und Vertrauensaufbau investieren.

„Dies war die eigentliche Tragödie der Ik: In einer schwierigen Lage, in der die Menschen sich gegenseitig noch mehr gebraucht hĂ€tten als sonst, ließen sie einander im Stich. Dadurch beschleunigten sie noch ihr VerhĂ€ngnis.” (S. 62)

„Wer vertraut, liefert sich aus.” (S. 65)

  • Das tut niemand gerne. Das tut niemand ohne zweimal zu ĂŒberlegen.
  • Gerade im Business, wo mit Vertrauensverlust meist auch Geldverlust einher geht, ĂŒberlegt man es sich dreimal, ob man sich ausliefern will oder nicht.
  • Wiederum bekommen das die Experten und Berater zu spĂŒren, denn ihre Kunden liefern sich ihnen aus. Entweder spĂŒren sie es dadurch, dass sich ihre Kunden nicht ganz öffnen (und somit einen Schutzmantel anbehalten), oder sie spĂŒren es dadurch, wie schwer es ist, Interessenten auch zu zahlenden (und wiederkehrenden) Kunden zu machen. 
  • NatĂŒrlich spielt das auch in der Liebe und in Beziehungen eine Rolle. „BeziehungsunfĂ€higkeit” ist aus meiner Sicht nichts anderes als die Angst vor der Auslieferung und der Verletzung, die mit einem möglichen Vertrauensbruch einher geht.

„Empathie schafft Vertrauen” (S. 86)

  • „Gehört werden” und „gesehen werden” schafft per se schon Vertrauen, ohne dass man selbst sehr „aktiv” sein und etwas tun muss.
  • Gemeint ist hier natĂŒrlich echte Empathie, nicht eine NLP-Verkaufstechnik des „aktiven Zuhörens”. Hier geht es um eine echte Verbindung von Mensch zu Mensch.

Hamiltons Gesetz: „Die Evolution begĂŒnstigt Altruisten, die ihre Freigiebigkeit Geschöpfen mit möglichst Ă€hnlichen Erbanlagen zukommen lassen.” (S. 113)

  • Das lĂ€sst sich ev. auch auf die network economy und das Konzept der „tribes” ĂŒbertragen: Der Unternehmer ist erfolgreich, der seine Freigiebigkeit seinem „tribe”, seinen „1000 true fans” zukommen lĂ€sst.
  • Dabei ist das verbindende Element jedoch nicht die Gene, sondern psychologische und soziologische Faktoren.

„Wer aus freien StĂŒcken gibt, tauscht Besitz gegen Vertrauen.” (S. 123)

  • Das gilt auch (und gerade!) fĂŒr „intellectual property”: Wer sein Wissen gibt und teilt, der schafft Vertrauen. 
  • Auf dieser Erkenntnis basieren viele Marketing-Strategien, z.B. das „Prinzip Kostenlos”.

Zu geben, erhöht die Lebenserwartung: „Nicht was wir von anderen bekommen, ist entscheidend, sondern wie viel wir geben.” (S. 129)

  • Dabei ist es unwichtig, wofĂŒr oder fĂŒr wen man sich engagiert. Das Engagement an sich wirkt sich positiv aus.

„Wer kaluliert, verliert.” (S. 129)

  • Das ist wohl auch eines der Grundgesetze der gift economy.
  • In einem unendlichen Spiel funktioniert kalkuliertes Agieren nicht, weil es dann ein endliches Spiel wĂ€re. Anders formuliert: Sobald Menschen durch kalkuliertes Agieren Vorteile haben, kann es gar kein unendliches Spiel sein. In einem unendlichen Spiel hat immer derjenige Vorteile, der nicht kalkulierend agiert.
  • „Das menschliche Dasein ist schlicht zu unĂŒbersichtlich, als dass sich die Bilanz einer Beziehung auch nur einigermaßen sicher vorhersagen ließe.” (S. 130) Allein schon deswegen ist Kalkulation sinnlos, weil man gar nicht alle Faktoren miteinkalkulieren kann. Das ist schlicht nicht möglich.

„Teilen tut weh” (S. 138)

  • „Anderen etwas zu ĂŒberlassen widerstrebt uns viel mehr, als ihnen zu helfen.”
  • „Und auch im Erwachsenenalter fĂ€llt es uns leichter, einem anderen, von seiner BedĂŒrftigkeit gerĂŒhrt, eine gute Tat zu erweisen, als sein Anrecht auf unsere Habe einzugestehen.“
  • „Warum nur ist Teilen so schwer? Weil es immer ein paar Leute gibt, die fĂŒr sich selbst das meiste herausholen wollen.“
    • Und damit sind wir wieder beim Thema Vertrauen…
    • Das Problem sind die Trittbrettfahrer!

„Zusammenarbeit lohnt sich also, aber noch eintrĂ€glicher ist es, sich zu verweigern.” (S. 139)

  • vgl. 20% der Angestellten erledigen 80% der relevanten Arbeit.
  • vgl. 20% der Forumsmitglieder posten 80% des Contents – von dem dann alle profitieren.

Die Tragik der Gutwilligen: „Sogar wenn Menschen zum Wohl aller beitragen wollen, können sie es oft nicht. Mitunter sehen wir uns sogar gezwungen, die gemeinsamen GĂŒter wissentlich entgegen eigenen langfristigen Interessen zu plĂŒndern. Denn wir sehen, dass das ohnehin geschieht, und da erscheint es besser, selbst zuzugreifen, als den Gewinn den anderen zu ĂŒberlassen.” (S. 141)

  • vgl. Corona-HĂ€rtefallfonds, Kurzarbeit etc: Ich weiß, dass es da Menschen gibt, die das ausnutzen werden. Wieso sollte ich ehrlich sein und damit auf etwas verzichten, was sich sowieso die allermeisten erschleichen?
  • vgl. ein „Eigenheim” kaufen: Wenn es alle machen, dann sollte ich doch eigentlich auch mĂŒssen, oder? Obwohl ich bisher dachte, dass ich es eigentlich besser wĂŒsste…

„Erst freundlich, dann klug.” (S. 159)

  • Das wĂ€re ein schönes Motto fĂŒr die Beratung: Zuerst freundlich sein, auf die Beziehungsebene achten. Und danach erst klug sein, auf der Sachebene.

Warum ich mir so schwer tue, in einer Gruppe (z.B. in einem Verein) zusammenarbeiten zu wollen:

  • „Menschen finden es ungerecht, von anderen betrogen zu werden. Genau das macht die Zusammenarbeit in Gruppen so schwer.” (S. 173)
  • „Man ist durchaus bereit, etwas fĂŒr andere und die Gemeinschaft zu leisten. Aber ausnutzen lassen will man sich nicht.” (S. 176)
    • vgl. Sauberes Maria Enzersdorf

„Scham ist die Bestrafung, die wir an der eigenen Person verĂŒben.” (S. 202)

  • Deswegen ist Scham bzw. BeschĂ€mung so eine wirkungsvolle Strafe. Sie wirkt sehr tief und nachhaltig.
  • Deswegen ist es so wichtig, gut aufzupassen, jemanden nicht zu beschĂ€men. 

„Denn eine Gruppe ist umso erfolgreicher, und Altruismus gedeiht in ihr umso besser, je mehr sie den Wettkampf um Ressourcen nach außen verlagert. Statt sich zu streiten, sollen die Mitglieder gemeinsam versuchen, ein möglichst großes StĂŒck des Kuchens zu ergattern – auf Kosten anderer Gruppen.” (S. 217)

  • Das ist auch das Erfolgsrezept wirklich erfolgreicher InteressensverbĂ€nde, Lobbying-Gruppen, Parteien etc.

„Weil nicht nur Menschen, sondern auch Tiere und selbst Pflanzen denselben Wesenskern haben, schade letztlich sich selbst, wer anderen schade.” (S. 237f)

  • Ein grundlegender Gedanke des Hinduismus – und vieler anderer spiritueller Traditionen.
  • Wir alle sind eins. Auch der andere, der bist du.
  • „Der Buddha empfahl seinen SchĂŒlern, allen Wesen zu jeder Zeit mit liebender GĂŒte und tĂ€tigem MitgefĂŒhl zu begegnen.” (S. 238)
  • „Liebe deinen NĂ€chsten, denn er ist wie du” ĂŒbersetzt Martin Buber in seiner deutschen Übersetzung des Alten Testaments. (S. 248)
  • „Gemessen an all ihren Gemeinsamkeiten sind die Unterschiede zwischen den Menschen verschwindend gering. Was auch immer ein anderer tut, was auch immer in ihm vorgehen mag – es ist uns nicht fremd. Wir haben dieselben Regungen schon selbst erlebt.” (S. 248)

„Jede Norm entwickelt sich, weil sei einen Vorteil verspricht. Doch hat sie sich erst einmal durchgesetzt, fĂŒhrt sie ein Eigenleben.” (S. 255)

  • Das gilt auch fĂŒr Paradigmen in der Wissenschaft.
  • Das gilt z.B. auch fĂŒr die BWL. Die Wöhe-BWL fĂŒhrt mittlerweile ein Eigenleben, und die Vorteile dieser Normen sind inzwischen mehr als fraglich.

Selbstlosigkeit im Netz (S. 259)

  • „Mittlerweile teilen so viele Menschen regelmĂ€ĂŸig Informationen im Internet, dass sie niemand mehr zĂ€hlt.“
  • „Die letzte SchĂ€tzung aus dem Jahr 2008 kam auf 133 Millionen Blogs, in denen Menschen gratis ihre Ideen und ihr mehr oder weniger wertvolles Wissen verbreiten.“
  • „[…] sie schreiben, fotografieren, filmen und veröffentlichen ihre Werke aus Freude am Teilen.“
  • vgl. There are now 1,136,520 podcasts in Apple Podcasts (Juni 2020) – und alle sind gratis!
  • vgl. The Gift Economy (Lewis Hyde)
  • vgl. „Sell your wisdom and buy bewilderment“ (Rumi)

„Viele hoch qualifizierte Mitarbeiter ziehen es ohnehin vor, Erfahrungen heute in Frankfurt, morgen in Hongkong zu sammeln. Wo allerdings jeder die Gelegenheit beim Schopf packt, kĂ€mpft auch jeder fĂŒr sich allein.” (S. 261)

  • vgl. Das unternehmerische Selbst; der Arbeitskraftunternehmer

„In der schwerelosen Wirtschaft der Zukunft kommt es maßgeblich auf die Gabe an, zu teilen und selbstlos zu sein.” (S. 276)

  • vgl. The Gift Economy (Lewis Hyde)
  • „schwerelose Ökonomie”: Eine Wirtschaft, deren grĂ¶ĂŸte Werte nicht mehr Dinge, sondern Informationen sind. (S. 275)
  • Wer ĂŒber Wissen verfĂŒgt, kann es hergeben, ohne dass er es verliert. (S. 275)

Unsere BedĂŒrfnisse: Was wir glauben vs. was tatsĂ€chlich ist (S. 279)

  • Was wir glauben: „SelbstverstĂ€ndlich nehmen wir an, es tue uns wohl, mehr Geld in der Tasche zu haben als weniger.“
  • Was tatsĂ€chlich ist: „Wer freiwillig etwas fĂŒr andere tut, verschafft sich nicht nur fĂŒr den Moment gute GefĂŒhle, er steigert auch langfristig seine Lebenszufriedenheit.” 
  • vgl. „Sell your wisdom and buy bewilderment“ ist das beste Investment!

Interdependenz: „FragwĂŒrdig erscheint beispielsweise der Traum von der Autonomie des Individuums [
]. Das Ideal der liberalen Demokratie, dem Einzelnen grĂ¶ĂŸtmögliche Freiheit zu verschaffen, bedarf dringend der ErgĂ€nzung: Ebenso gilt es, die Menschen in ihrer gegenseitigen AbhĂ€ngigkeit zu bestĂ€rken. Die Zeit des einsamen Cowboys ist abgelaufen.” (S. 281)

  • Das gilt besonders fĂŒr EPU.
  • Das gilt auch immer wieder fĂŒr mich selbst.

„Denn je mehr Menschen einander brauchen – und sich ihre BedĂŒrftigkeit eingestehen – umso eher sind sie zum Teilen und zur gegenseitigen Hilfe bereit.” (S. 281)

  • „Sell your wisdom AND buy bewilderment“ 
  • Das ist die Grundlage dafĂŒr, dass die Gift Economy funktioniert.
  • „Wohlwollen bringen neue Akte des Wohlwollens hervor.” (S. 282)
  • „Wer mit seiner Freigiebigkeit experimentiert, hat nichts zu verlieren, doch viel zu gewinnen. Denn Selbstlosigkeit macht uns glĂŒcklich und verĂ€ndert die Welt.” (S. 282)

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