Anselm Grün: Damit die Welt verwandelt wird — Die sieben Werke der Barmherzigkeit (2008) 📙

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Meine Notizen

Kranke besuchen

“Ein Lehrer erzählte mir, dass er ein halbes Jahr krank war. Von seiner Schule hat ihn niemand besucht, weder sein Chef noch seine Kollegen. Das hat ihn sehr verletzt. Er hat sich für die Schule sehr stark eingesetzt. Daher wurde er krank. Doch niemand hat ihn gewürdigt. Niemand hat nach ihm gesehen. Niemand hat sich dafür interessiert, wie es ihm wirklich geht. Oft ist es Unsicherheit und Hilflosigkeit.” (S. 66)

“Sie wissen gar nicht, was sie mit ihm reden sollen. Denn sich auf die Krankheit einzulassen und wirklich genau nachzufragen, wie es dem Kranken geht, davor haben sie Angst.” (S. 67)

Besuchen kommt im Deutschen von suchen. Ich suche intensiv nach dem anderen. Ich möchte heraussuchen, wo er steht. Besuchen meint also im Tiefsten ein Interesse am anderen. Ich mache mich auf die Suche, um ihn wirklich zu finden.” (S. 62)

Wenn ich jemanden besuche, dann schaue ich ihn mir genau an. Ich betrachte ihn nicht nur äußerlich, sondern ich versuche, in ihn hineinzuschauen, mich in ihn hineinzumeditieren. Ich frage mich, was ihn bewegt, wie es ihm wirklich geht. Ich habe Interesse an ihm. Ich schaue, um die Wahrheit zu sehen.” (S. 63)

Tote begraben

“Tote bestatten heißt nicht nur, das Grab zu pflegen, sondern des Toten gedenken. […] Den Toten gedenken bedeutet nicht, in der Vergangenheit zu leben. Vielmehr geht es darum, die Botschaft zu verstehen, die sie durch ihr Leben und Sterben an uns richten, und auf diese Botschaft mit unserem Leben zu antworten.” (S. 74)

“Und dazu gehört die liebevolle Pflege des Grabes. Die Trauer braucht einen Ort. Das Grab ist der Ort, an dem die Trauer immer wieder eine Form bekommt. Die Würdigung des Verstorbenen drückt sich dadurch aus, dass wir sein Grab pflegen.” (S. 75)

“Eine Weise, das siebte Werk der Barmherzigkeit heute zu leben, wäre die Teilnahme an der Beerdigung von Menschen, die uns etwas bedeutet haben.” (S. 75)

Zweifelnden recht raten

“Dem Zweifelnden muss ich nicht raten. Ich soll mit ihm sprechen, seine Zweifel anhören und dann versuchen, die Antwort, die in mir auftaucht, zu formulieren.” (S. 97)

  • Das ist eine schöne Haltung für Gespräche in der Gründungsberatung.

Lästige geduldig ertragen

“Geduld ist also nicht etwas rein Passives. Sie hat durchaus die Fähigkeit, etwas zu tragen, ohne einzuknicken. Aber sie ist auch der Widerstand gegen feindliche Kräfte. Man gibt nicht auf, sondern man kämpft geduldig.” (S. 115)

“Wenn wir auf dem Hintergrund der biblischen Aussagen über Geduld das geduldige Ertragen der Lästigen betrachten, dann kann es heißen: “Gebt denen, die euch belästigen, nicht so viel Macht. Bleibt standhaft. Zeigt Stehvermögen. Fallt nicht um! Bleibt bei euch. Lasst euch nicht verbiegen. Der lästige Bruder, die nervende Schwester dürfen so sein, wie sie sind. Aber lass dich von ihnen nicht bestimmen. Seht zu ihnen. Aber trage nicht ihre ganze Last. Denn die müssen sie selbst tragen. Trage sie mit, damit sie in der Gemeinschaft ihren Platz haben. Aber lass die Gemeinschaft nicht von ihnen bestimmt werden. Das würde sie nur erdrücken. Wenn du in Christus deinen Grund, dein Fundament hast, dann kannst du auch die Schwachen und Lästigen tragen, ohne daran zu zerbrechen.”“(S. 115f)

  • Ein guter Rat über den Umgang mit Trolls, Hatern, Gegnern etc. im Online Business.

Denen, die uns beleidigen, gern verzeihen

Von ganzem Herzen vergeben in vier Schritten (S. 122 ff)

  1. Den Schmerz nochmals zulassen. Die Beleidigung des anderen nicht zu schnell loslassen und auch nicht rechtfertigen oder entschuldigen. “Ganz gleich, wie er es gemeint hat: Mir hat es weh getan.” Den Schmerz nicht überspringen.
  2. Wut zulassen. Wut schafft Distanz zum Beleidiger: “Die Wut wirft mit Kraft das Messer aus mir heraus. Nun kann die Wunde heilen.” Wut verwandelt die Beleidigung in eine Kraft: “Ich lasse mich vom Beleidiger nicht kaputt machen.”
  3. Objektiv anschauen, was bei der Beleidigung geschehen ist. “Ich schaue nochmals an, wie die Beleidigung gelaufen ist. Hat der andere nur seine eigene Unzufriedenheit oder seine eigene Verletzung weitergegeben?” Nicht entschuldigen, aber auch nicht beschuldigen. Verstehen, ohne zu bewerten.
  4. Die eigentliche Vergebung. “Vergebung ist dabei ein aktives Tun. Ich befreie mich von der Macht des anderen, der mich beleidigt hat.” Wenn ich nicht vergeben kann, bleibe ich mit dem anderen verbunden. Echte Vergebung ist nicht nur ein Akt des Willens, sondern sie “dringt in mein Herz”.

Für Lebende und Tote beten

Beten bedeutet nicht, dass Gott unsere Wünsche erfüllt. “Ich bete vielmehr in dem Vertrauen, dass Gott mein Gebet erhört, dass er am andern handelt. Wie Gott am anderen handelt, das wiederum kann ich letztlich nicht beschreiben. Vielleicht verändert er seine Gedanken und Gefühle. Vielleicht schickt er ihm einen Engel, der ihm im richtigen Augenblick den richtigen Rat gibt oder ein Wort sagt, das ihm weiter hilft. Wir beten, weil wir darauf vertrauen, dass Gott unser Gebet erhört und dass Gott dem andern helfen kann. Aber wir wissen, dass wir Gott durch unser Gebet nicht zu einem Wirken in unserem Sinn zwingen können. Wir müssen es immer wieder auch Gott überlassen, wie er auf unser Gebet reagiert.” (S. 131)

“Gabriel Marcel, der französische Philosoph, sagt einmal: “Lieben, das heißt zum andern zu sagen: Du, du wirst nicht sterben.” Wir vergessen die Toten nicht, sondern halten im Gebet ihr Andenken wach.” (S. 134)

Schluss

Hl. Jakobus: Glaube ohne Werke ist kein wirklicher Glaube (S. 138ff)

  • vgl. Jak 1, 22-25: “Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach, sonst betrügt ihr euch selbst. Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich, geht weg, und schon hat er vergessen, wie er aussah. Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und an ihm festhält, wer es nicht nur hört, um es wieder zu vergessen, sondern auch danach handelt, der wird durch sein Tun selig sein.”
  • “Jakobus spricht hier von “makarios = glücklich, selig”. Es ist das Glück, das in Griechenland den Göttern vorbehalten war. Die Werke der Barmherzigkeit sind im Sinn des Jakobusbriefes ein Weg zum Glück. Sie bewirken nicht nur Gutes bei denen, denen ich Barmherzigkeit erweise, sondern machen mich selbst innerlich zufrieden.”

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