Als studierter Sprachwissenschaftler weiß ich, dass ein Dialekt, eine Umgangssprache oder eine Mundart nicht „minderwertig“ sind gegenüber der Standardvariation (z.B. „Hochdeutsch“). Sie sind vollwertige Sprachen, und deren Sprecher sprechen genauso „schön“ wie die Sprecher der Standardvariation.
Weil ich das weiß, versuche ich meinen Kindern von Anfang an meine Weinviertler Mundart beizubringen. Sie sollen „zweisprachig“ aufwachsen: Hochdeutsch von der Mama, Mundart vom Papa. So hatte ich das zumindest geplant. In der Realität sprechen sie fast ausschließlich ihre (im wahrsten Sinn des Wortes) Muttersprache – aber das ist eine andere Geschichte.
Wie dem auch sei: Ich bleibe bei meinem Dialekt, und ich stelle immer wieder freudig und stolz fest, dass mich meine Kinder gut verstehen und manchmal sogar Freude daran haben, mit Dialektausdrücken zu spielen.
Und dennoch: Wenn ich an der FH unterrichte, gerate ich hin und wieder ins Zweifeln. Ich spreche dort eine „gehobene Umgangssprache“, die sich für mich sehr authentisch anfühlt und mit der ich mich leicht und flüssig ausdrücken kann. Aber wenn ich wie unlängst einen lehrenden Kollegen höre, der in schönstem Hochdeutsch zu den Studierenden spricht, dann denke ich mir: Heast, das klingt viel professioneller, kompetenter und gescheiter als das, was ich rede.
Als studierter Sprachwissenschaftler weiß ich nämlich auch, dass Menschen, die Dialekte, Mundarten und Umgangssprachen des Deutschen sprechen, als weniger intelligent und weniger gebildet wahrgenommen werden als Sprecher der Standardvariation (siehe z.B. hier).
Dieses Vorurteil ist natürlich Blödsinn, und ich kämpfe so gut ich kann dagegen an. Aber manchmal habe ich das Gefühl, ich kann ihm selbst kaum entkommen.
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