Rifkin hat vor über 20 Jahren vorausgesehen, wie Facebook und Co. funktionieren werden. Die Zugangs-Ökonomie, von der er spricht, steckt immer noch in den Kinderschuhen, wird unser Wirtschaftsleben aber nachhaltig verändern, da bin ich sicher.
Gelesen: Dezember 2020
Netzwerke statt Märkte
- „Im kommenden Zeitalter treten Netzwerke an die Stelle der Märkte, und aus dem Streben nach Eigentum wird Streben nach Zugang, nach Zugriff auf das, was diese Netzwerke zu bieten haben.“ (S. 10)
Geistiges Kapital wird zur treibenden Kraft
- „Konzepte, Ideen und Vorstellungen – nicht Dinge – sind in der neuen Ökonomie die Gegenstände von Wert.“ (S. 11)
Verkäufer -> Anbieter, Käufer -> Nutzer
- „Drehte sich auf den herkömmlichen Märkten alles um Verkäufer und Käufer, stehen heute Anbieter und Nutzer im Mittelpunkt.“ (S. 12)
Gatekeeper
- „Im Zeitalter der Netzwerke gewinnen Anbieter, die wertvolles geistiges Kapital angehäuft haben, zunehmend an Macht über die Bedingungen, unter denen Nutzer auf gewinnträchtige Ideen, Wissen und Fachkenntnisse zugreifen können.“
- Siehe 2021: Die Gatekeeper, die über die Kunden-Daten verfügen, die über die Kunden verfügen, definieren die Spielregeln des Zugriffs – z.B. Facebook, Google, Apple, Amazon, Netflix, …
Der Graben zwischen Vernetzten und Nichtvernetzten
- „Der Graben zwischen Besitzenden und Nichtbesitzenden ist tief, der zwischen den Vernetzten und den Nichtvernetzten ist allerdings noch tiefer.“ (S. 23)
- Zugang ist noch ungerechter verteilt als Besitz?!?
- vgl. Winner-take-all: Neben den großen Gatekeepern hat kaum ein Unternehmen Platz.
Access ist der Schlüsselbegriff des 21. Jahrhunderts
- “ „Access“, Zugang, ist der Schlüsselbegriff, wenn wir verstehen wollen, was sich an unserer Wahrnehmung von Welt und Wirtschaftsgeschehen verändert hat – er wird die Metapher des kommenden Zeitalters sein.“ (S. 25)
Rasende Geschwindigkeit
- „Heute haben Verbraucher, und zwar alle bis hin zum Endverbraucher, kaum Zeit, eine neue Technik, ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung kennen zu lernen, bevor ihre verbesserten Nachfolger erhältlich sind. In einer derart durchkommerzialisierten Umgebung ist die Vorstellung von Eigentum oder Besitz wirklich fehl am Platz. Warum sollte man den Wunsch haben, eine Technik oder ein Produkt zu besitzen, wenn sie wahrscheinlich veralten, noch bevor sie bezahlt sind?“ (S. 34f)
- vgl. iPhone: Menschen nutzen kaum alle Funktionen des aktuellen Modells, um kurze Zeit später ein neues Modell zu kaufen, von dem sie noch weniger Funktionen nutzen.
Teilen als Erfolgsfaktor
- „In einer vernetzten Wirtschaft wird kommerzieller Erfolg zunehmend nach der Vorstellung bemessen, „was mein ist, ist auch dein, und was dein ist, ist auch mein“. Das Muster des auf Netzwerken beruhenden Austauschs bildet das Teilen wirtschaftlicher Aktivitäten ab.“ (S. 69)
Die schwerelose Ökonomie
- „Das Rennen der Zukunft […] wird unter den neuen, leichtgewichtigen Firmen ausgetragen, die nicht von umfangreichen gebundenen Vermögenswerten belastet sind.“ (S. 72)
- „Der Wechsel in eine Ökonomie, in der Erfolg zunehmend an der Kontrolle von Ideen, also am intellektuellen und immateriellen Kapital gemessen wird, stellt die konventionellen Bewertungsmethoden in Frage.“ (S. 72)
- er meint wohl: Vermögen
Was für ein Unfug!
- „In den neuen Bewertungsmodellen der vernetzten Wirtschaft wandert physisches Kapital stetig von der Habenseite auf die Sollseite, wo es als Betriebskosten aufgeführt wird, während immaterielle Werte zunehmend ihren Weg auf die Habenseite finden werden.“ (S. 74)
- Er hat wirklich keine Ahnung von Buchhaltung und Bilanzierung. Und/oder die Übersetzer nicht. Das ist wirklich ein grober Unfug.
Wie prophetisch!
- „Waren die Menschen des Industriezeitalters damit beschäftigt, sich Materie anzueignen und neu zu formen, ist die erste Generation im Zeitalter des Zugangs mehr daran interessiert, den menschlichen Geist zu manipulieren. […] Die eigene mentale Präsenz ausdehnen zu können, universell verknüpft zu sein und auch das menschliche Bewusstsein beeinflussen und formen zu können, das ist das Ziel, das die Wirtschaft über die Branchen hinweg motiviert.“ (S. 75)
- Er kannte Social Media damals noch nicht!
Revolution des Kapitalismus: Kunden bekommen nur mehr temporären Zugang, ihnen gehört nichts mehr
- „Der Kapitalismus lässt die Märkte hinter sich und erfindet sich selbst schrittweise neu: in Gestalt von Netzwerken.“ (S. 77)
- „Die zentrale Operation der Marktwirtschaft, die zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelte Übertragung von Eigentum, wird seltener werden. Der kurzfristige Zugang wird lukrativer scheinen als der Erwerb.“ (S. 77)
- Kirkham und McGowan: „Wenn ich Ihnen etwas verkaufe, haben Sie es gekauft. Wenn Sie es gekauft haben, gehört es Ihnen. Und wenn Ihnen etwas gehört, können Sie damit tun, was Sie wollen.“ Nichts davon gilt für Lizenzvereinbarungen. (S. 84)
- vgl. Don’t build on rented land (Facebook, Instagram etc.)
- vgl. Apple Music statt CDs: Mir gehört meine Musik nicht mehr. Ich erwerbe den Zugang dazu, ich lease. Aber Apple kann jederzeit entscheiden, mir meine Musik (mit allen Playlists, Bewertungen, mit meiner ganzen Geschichte dahinter) wieder wegzunehmen!
Meine Wohnung als Ort der Produktion
- „Mit der industriellen Produktion wurde das Haus zur Wohnung: von einem Ort der Produktion zu einem der Konsumtion umgewandelt.“ (S. 110)
- Ich will meine Wohnung wieder zu einem Ort der Produktion machen! (vgl. Home Office)
Dienstleistungen werden zugänglich gemacht
- „Produkte werden gekauft, Dienstleistungen dagegen zugänglich gemacht.“ (S. 115)
Der Kunde bleibt ungeschult
- „Da er sich nie selbst mit den Details dieser Dienstleistungen beschäftigen muss, bleibt der Kunde häufig ungeschult und unwissend bezüglich der wirkenden Kräfte und kann mit der Zeit immer abhängiger von den „Experten“ werden, die seine Angelegenheiten managen.“ (S. 140)
- Ich sehe es als Aufgabe eines Dienst-Leisters, seine Kunden zu „schulen“. Geschulte Kunden sind loyale Kunden – weil sie loyal sein wollen, nicht weil sie aus Ohnmächtigkeit keine Alternativen sehen.
Marketing Myopia (Theodore Lewitt)
- = Unternehmen sind zu sehr an den Produkten interessiert, die sie herstellen, und zu wenig an den Konsumenten, denen sie dienen sollten. (S. 144)
Interessengemeinschaften
- „Unter Marketingexperten steigt das Bewusstsein dafür, dass der Aufbau von sogenannten „Interessengemeinschaften“ die effektivste Möglichkeit ist, die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen, zu halten und lebenslange Beziehungen zu knüpfen.“ (S. 147)
Der Übergang von Eigentum zu Zugang
- „Der Übergang von Eigentum zu Zugang ist oft eine recht unsystematische Angelegenheit. Diese Transformation verändert manchmal so wenig, dass dies praktisch unbemerkt geschieht und erst im Nachhinein sichtbar wird.“ (S. 155)
Was die Werbefachleute kapiert haben
- „Die Werbefachleute haben realisiert, dass die Menschen zuallererst Konsumenten von Symbolen und weniger der Produkte selbst sind. Die Werbung übernimmt die Rolle eines Vermittlers und Interpreten von kulturellen Bedeutungen. Sie dient als Brücke, die unablässig die Lebensgeschichte einer Person mit den großen Erzählungen verbindet, welche die Kultur ausmachen.“ (S. 238)
- No story, no glory.
Szenarios, Geschichten, Fantasien
- „Im Zeitalter des Zugangs, in dem Szenarios geschrieben, Geschichten erzählt und Fantasien ausagiert werden, ist es nebensächlich, Dinge herzustellen und auszutauschen und Eigentum zu akkumulieren.“ (S. 263)
Autorenschaft im Zeitalter des Hypertext
- „Hypertexte verwischen die traditionelle Vorstellung von Autorenschaft. Weil das Medium auf Inklusivität und Verbundenheit beruht, statt auf Exklusivität und Autonomie, gibt es oft keine klare Grenze, die die Beiträge verschiedener Menschen voneinander trennen könnte. Die Menschen nehmen Materialien aus verschiedenen Quellen, zu denen sie Zugang haben, zerschnippeln und bearbeiten sie, picken dies und das heraus und kombinieren ihre Fundstücke neu.“ (S. 278f)
- Das ist DEFINITIV das, was ich mit SILBE mache.
- Das ist z.B. genau das, was Roam Research möglich macht und fördert.
- „Hypertext führt zu dem, was der französische Literaturtheoretiker Roland Barthes den „Tod des Autors“ genannt hat […].“ (S. 279)
Der unheimliche Multizugang
- „[Robert J.] Lifton behauptet, dass heute jeder, der es sich leisten kann, „Zugang zu jedem Bild oder jeder Idee, die irgendwo in der heutigen Welt entstehen oder aus irgendeinem kulturellen Augenblick der gesamten Menschheitsgeschichte stammen“, haben könnte. Dieser „unheimliche Multizugang“ hat seiner Meinung nach keinen Vorläufer in der Menschheitsgesichte.“ (S. 285)
Wenn der materielle Mangel überwunden ist
- „In einer Gesellschaft, die den materiellen Mangel überwunden hat, bekommen immaterielle Werte Priorität: Die Suche nach Selbsterfüllung und persönlicher Veränderung wird zum wichtigsten Ziel. In einer solchen Gesellschaft wird das Recht, nicht aus einem „vollen Leben“ ausgeschlossen zu sein, zum wichtigsten Eigentumswert, über den eine Person verfügen kann.“ (S. 321)
- vgl. Kapitalismus wandert in der Bedürfnispyramide nach oben (The School of Life)
- „Nicht mehr Autonomie und Eigentum, sondern Inklusion und Zugang werden zum Prüfstein für das Maß der persönlichen Freiheit. Diese zeigt sich in den Möglichkeiten eines Menschen, Beziehungen aufzubauen, Allianzen zu schließen und an Netzwerken gemeinsamer Interessen teilzunehmen. Verbunden zu sein, macht frei. Autonomie, einst gleichgesetzt mit persönlicher Freiheit, schlägt in ihr Gegenteil um. Wer in der vernetzen Welt „autonom“ ist, ist isoliert und nicht verbunden.“ (S. 323)
Lifestyle Entrepreneure sind dem Spiel näher als der Arbeit!
- „Die Annahmen und Regeln des Spiels unterscheiden sich sehr von denen, die traditionell die Arbeit beherrschen. Erstens ist Spiel unterhaltsam, es dient dem Vergnügen. […] Zweitens ist Spiel eine freiwillige Tätigkeit. Man kann Menschen nicht zum Spielen nötigen oder zwingen. An einem Spiel kann man nur in freier Entscheidung teilnehmen.“ (S. 352)
- Die Spiele-Metapher ist ev. am besten geeignet, um das Wesen von Lifestyle Businesses zu beschreiben. Lifestyle Businesses sind keine klassische „Arbeit“.
- vgl. You can’t say you can’t play.
- „Spiel ist spontan. Zwar gibt es Regeln – manche implizit, andere explizit -, und das Spiel ist oft ernst, wird oft geleitet und ist zielorientiert, aber es ist im Allgemeinen weniger rigide als traditionelle Arbeitspläne in der Fabrikhalle oder den Büros. […] Es findet seine Belohnung in sich selbst. Und das spontane Spiel […] kann nicht so leicht quantifiziert werden wie Arbeit.“ (S. 353)
- Das trifft definitiv auf Lifestyle Businesses zu.
- „Die Spieler geben sich frei „der Liebe zum Spiel“ hin. Das Ziel ist Vergnügen und eine Bestätigung des Lebensgefühls. Also steht Spiel in scharfem Kontrast zur Arbeit, deren Ziel es ist zu enteignen, abzutöten, zu verarbeiten und zu produzieren.“ (S. 354)
- „Wir werden niemals wirklich frei sein, wenn wir uns nicht vollkommen dem reinen Spiel hingeben können.“ (S. 357)
- BGE ermöglicht diese Hingabe, weil Erwerbszwang rausgenommen wird und Leichtigkeit ins Spiel kommt.
- Reifes Spiel: „Wenn Menschen einander verpflichten, dann sind sie an einem sehr reifen Spiel beteiligt.“ (S. 357)
- Spielen ≠ unverbindlich
Welche Zugänge wollen wir?
- „Das Zeitalter des Zugangs wird jeden von uns vor diese grundsätzliche Frage stellen, wie wir unsere elementarsten Beziehungen zueinander neu gestalten wollen. Zugang hat vor allem damit zu tun, welche Ebenen und Arten der Teilnahme wir wollen: Es geht nicht nur darum, wer Zugang bekommt, sondern auch welche Erfahrungen und Welten der Beteiligung des Zugangs wert sind. Mit der Antwort auf diese Frage entscheiden wir über die Gesellschaft, in der wir im 21. Jahrhundert leben werden.“ (S. 359)