Markus Hengstschläger: Die Lösungsbegabung (2020) 📙

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WAS WIR WOLLEN — die Wünsche des Menschen an die Zukunft

Das Lebenswerk

  • “Die Autoren [Tobias Hürter, Rebekka Reinhard, Thomas Vasek: Das Märchen vom Erfolg] schlagen aber vor allem vor, statt vom “Erfolg” eines Menschen, von seinem “Werk” zu sprechen. Dieser Begriff beschreibt sowohl das Tätigsein selbst (am Werk sein) als auch das Ergebnis, ein Werk mit Bestand, das den Tag überdauert. Das Werk, das Lebenswerk, ob nun künstlerisches, wissenschaftliches oder unternehmerisches Tun, soziales Engagement oder die Erziehung der Kinder, macht zu Recht stolz, weil es das Ergebnis unseres Wirkens und nicht des Zufalls ist.” (S. 27)

Innovation = Verwertung am Markt

  • “Ausgehend von […] Joseph Schumpeter […] unterscheidet man zwischen Invention (der Erfindung) und Innovation. Inventionen sind die zugrunde liegenden Ideen vor der Markteinführung, wohingegen Innovationen deren Umsetzung und Verwertung am Absatzmarkt darstellen. […] So verstanden, handelt es sich dementsprechend erst dann um eine Innovation, wenn das Resultat kreativen Denkens und Lernens zu Produkten, neuen Verfahren oder Dienstleistungen führt, die sich am Markt auch verwerten lassen und durchsetzen.” (S. 33)

Bildungsinnovationen

  • Der Begriff bezeichnet beschreibt Erneuerungen im Bildungsbereich. (S. 36)

Nicht jede Idee ist erfolgreich umsetzbar

  • “Nicht jede Idee ist erfolgreich umsetzbar, weil dafür noch viele andere Komponenten notwendig sind und viele zusätzliche Schritte entworfen und gegangen werden müssen. Umgekehrt ist aber doch der Ursprung der meisten Innovationen eine neue Idee […].” (S. 40)

Zwei Zukünfte

  • “Es gibt zwei Zukünfte, und es gibt vor allem jede Form von Übergängen zwischen diesen beiden.” (S. 43)
  • “Aus Individualperspektive kann man eigentlich immer nur von vorhersehbaren und unvorhersehbaren Zukunftsanteilen sprechen.” (S. 43)
  • Es ist nachvollziehbar, ja sogar einzumahnen, dass man sich in der Gegenwart für die Zukunft, die man schon kennt, mit gerichteten, bewährten Strategien rüstet. […] Man kann sich aber nicht auf alles vorbereiten, und man kann sich nicht für alles rüsten.” (S. 48)
  • “In der Gegenwart der realen Welt müssen wir uns aber nun einmal beides erwarten, berechenbare und vorher unergründbare Anteile der Zukunft. Für jene Bälle, von denen der Mensch keine Ahnung hat, woher sie kommen, ist flexibles, ungerichtetes Vorgehen gefragt. Für Bälle, von denen er weiß, woher sie (zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit) kommen werden, sollte er sicherere, gerichtete, fokussierte Herangehensweisen wählen.” (S. 127)

WAS WISSENSCHAFT (NICHT) KANN — vom ungerichteten zum gerichteten Menschen?

Die Arroganz der Expert*innen

  • Wer kann überhaupt wissen, was morgen das Bessere wäre? Wer soll darüber bestimmen dürfen?

Was Menschen besser können als Maschinen

Nach Gutstein, Sviokla: 7 Fähigkeiten, die keine Maschine beherrscht, 2019

  1. “Wirklich wirksame Kommunikation präsentiert nicht einfach nur Fakten, sondern vermittelt harte und weiche Informationen, verbindet Erzählung und Fakten, Rhetorik und Wissenschaft. Der Mensch ist der bessere Storyteller und kann andere Menschen dadurch zum Handeln bewegen.” (S. 92f)
  2. “Wenn man als Experte die Dynamiken eines Fachgebietes wirklich gut kennt, besitzt man ein Wissen, das sich nicht ergoogeln lässt […].” (S. 93)
  3. “Menschen, die sich intensiv mit ihrem Fachgebiet beschäftigen und dabei auch immer wieder über den Tellerrand schauen, entwickeln ein Kontextverständnis, das Maschinen […] in dieser Qualität nicht erreichen können.” (S. 93)

WAS DER MENSCH (NICHT) IST — Gene und Umwelt

Was ist Lösungsbegabung?

  • Die Lösungsbegabung ist das genetische und frühkindlich geprägte Potenzial jedes Menschen, Probleme lösen zu können. Dieses Potenzial hat grundsätzlich jeder Mensch. Jeder Mensch ist lösungsbegabt. Zur Umsetzung dieser Begabung in eine Leistung, also in die erfolgreiche Lösung eines Problems, bedarf es eines bestimmten Wissens und Übung.” (S. 99)

Der mutige Mensch

  • “Dieses Widerspruchsverhältnis zwischen Angst und Mut existiert aber so nicht, und diese beiden Zustände sind nicht unvereinbar. Angst und Mut ergänzen einander und führen letztendlich in der richtigen Mischung zu proaktiven, aber auch abwägenden Herangehensweisen an neue Fragestellungen. Angst ist in unserer heutigen Zeit ein Instrument, nicht verantwortbares, dumm-tollkühnes Handeln zu minimieren, und Mut dient gleichzeitig dazu, unbegründeten Ängsten begegnen zu können.” (S. 115f)
  • “Hin und wieder ein Risiko einzugehen, neue Ansätze zu verfolgen und kreativ zu sein, kann von Furcht gebremst werden. Von der Furcht davor, sich zu blamieren, ausgelacht zu werden, Freunde oder Kollegen vor den Kopf zu stoßen, seinen guten Ruf zu schmälern, seinen Job zu verlieren, kurzfristig weniger Gewinne zu machen und vieles mehr. Unterfüttert wird das dann auch noch von diffusen Befürchtungen (oder Ängsten) vor der Veränderung, vor dem Versagen, vor dem Scheitern oder vor der Zukunft.” (S. 116)
  • “Um die Lösungskompetenz zur Entfaltung zu bringen und immer wieder Neuland zu betreten, braucht es den richtigen Umgang mit einem förderlichen Verhältnis zwischen Angst und Mut. Solch ein fein eingestelltes Verhältnis bietet den idealen Nährboden für das Wachsen der Bereitschaft, sich mutig, kreativ und kooperativ einzubringen.” (S. 118f)
  • “Mut ist nicht einfach das Gegenteil von Angst. Und wer mutig ist, ist nicht notwendigerweise frei von Angst. Mut könnte etwas mit der Beherrschung von Angst zu tun haben.” (S. 130)
  • “Das richtige Maß an Mut ist außerdem dabei deshalb so entscheidend, weil zu viel Mut gar nicht so selten in Dummheit überschlägt un dann zu vielleicht tollkühnem oder sogar unverantwortbarem Verhalten führen kann. […] Mut ohne Sicherheit ist viel zu oft nicht mehr als Dummheit. Einfach nur hemmungslos zu riskieren, ist die eine Sache, aber ein Risiko mit Bedacht und Weitsicht einzugehen, ist die andere.” (S. 132)

WAS ES BRAUCHT — Gegenwartskompetenz

Eine neue Fehlerkultur soll den eigenen Weg ermöglichen

  • “Wenn man sich heute mit vielen gemeinsam geirrt hat, löst das bestimmt keine Panikattacken aus, wenn man am Abend zu Hause noch einmal den Tag reflektiert. Schlecht fühlt man sich meist nur, wenn man etwas riskiert hat, wenn man einen neuen Weg gegangen ist und sich dabei allein geirrt hat, und die anderen hatten recht. Das muss sich ändern!” (S. 125)
  • “Zu oft folgen wir einfach dem Gefühl, das uns zum Anpassen an die Mehrheit verleitet. Vielleicht würden wir öfter durch einen Alleingang die Erfolgswahrscheinlichkeit steigern, wenn wir darüber in Ruhe nachdenken würden.” (S. 126)

Rückversicherung durch das Verfolgen sicherer Konzepte

  • “Das Auffangnetz der Sicherheit, die Rückversicherung durch den gleichzeitig bestehen bleibenden gerichteten Anteil, die Stabilität des parallel laufenden Bewährten (Directedness) ist der Hebel, der die Wahrscheinlichkeit, aktiv zu werden, um das tiefverwurzelte menschliche Bedürfnis nach Selbstverwirklichung und nach der Umsetzung seiner Kreativität (Undirectedness) befriedigen zu können, steigert. Die laufende gleichzeitige Verfolgung sicherer und riskanter Konzepte erlaubt es außerdem, sich Schritt für Schritt an den Umgang mit seinen Ängsten heranzutasten, sie soweit in den Griff zu bekommen, dass sie nicht mehr im Weg stehen […].” (S. 131)
  • Dieser Absatz ist nicht leicht zu verstehen. Aber er meint wohl konkrete Konzepte wie die Affe-Ast-Strategie.

Ungerichtet ist nicht planlos

  • “Ungerichtet ist nicht planlos! Einerseits bedarf es eines Planes, wenn man fokussiert auf ein bekanntes Ziel zusteuern will. Andererseits ist es aber genauso wichtig, einen konkreten umsetzbaren Plan zu haben, wie man sich für die unvorhersagbaren Zukunftsanteile rüstet und man sie dadurch auch gestaltet.” (S. 135)
  • “Gerichtet oder ungerichtet, es braucht immer Strategien mit dem entsprechenden Monitoring, mit Korrekturmöglichkeiten und mit laufenden Weiterentwicklungen.” (S. 135)

Eine neue Form von USP

  • “Unterschiede kann man eigentlich mehr dadurch erzeugen, indem man seine ungerichteten Strategien für die unvorhersehbaren Bälle schärft.” (S. 137)
  • “Seine Kreativität und Innovationskraft darauf auszurichten, Lösungen für bereits bekannte offensichtliche Probleme wie beispielsweise offene Kundenwünsche, bekannte Krankheiten ohne dafür existierende Therapien oder notwendige technologische Anforderungen zu entwickeln, ist so unverzichtbar wie vielversprechend. Aber vollkommen neue, noch ungerichtete Entwicklungen können einerseits Antworten auf Fragen sein, die man heute noch nicht kennt, die aber morgen kommen können, und haben andererseits auch ein höheres Potenzial, die Zukunft schöpferisch mitzugestalten.” (S. 137)

Man muss die Vergangenheit gut kennen

  • “An dieser Stelle muss betont werden, dass eine in die Zukunft orientierte kompetente Gegenwart nur dann möglich ist, wenn man die Vergangenheit gut kennt.” (S. 141)
  • “Und schlussendlich sollte man in seinen spezifischen Fachgebieten, in allen Bereichen, in denen man erfahren ist, Wissen in abrufbarer und verwendbarer Form mit sich tragen. Ob etwas neu ist oder nicht, kann nämlich nur der wirklich beurteilen, der in diesem Fachbereich das bereits Bekannte und Existierende tatsächlich gut kennt.” (S. 141f)
  • Altes Wissen neu zu kombinieren und neu zu denken, ist unverzichtbar, um neue komplexe Assoziationen entstehen lassen zu können.” (S. 142)
  • Die optimale Ausgangslage dafür, neue Lösungen zu entwickeln, ist es, in einem Fachbereich wirklich etwas zu können und zu wissen.” (S. 142)

Mit zwei Zukünften in einer Disziplin arbeiten

  • “Das primäre Ziel ist die Weiterentwicklung von Kreativität, Ideenreichtum und Erfolg innerhalb einer, seiner Disziplin. Man soll bei dem, was man tut, besser werden, indem man die Chance der Unvorhersehbarkeit mit ins Boot holt. Die Hoffnung ist, dass man ein noch höheres Niveau erreicht, indem man sich noch tiefgründiger mit einer Sache beschäftigt und sich dabei gleichzeitig auch breiter aufstellt.” (S. 148)
  • vgl. Hone Your Skills

Glänzende Ideen

  • “[…] nichts ist erbaulicher als ein brillanter Einfall. Die Emotionen, die bei einem Menschen ausgelöst werden, wenn er bemerkt, dass er gerade einen wirklich neuen brauchbaren Geistesblitz gehabt hat, ist unbeschreiblich […].” (S. 154)
  • “Aber die Ängste vor der Blamage, die durch eine nicht so geniale oder vielleicht sogar schon alte Idee entstehen könnte, ist auch allgegenwärtig.” (S. 154)
    • Oder auch durch diese neue Idee.

WO ES ETWAS BRAUCHT — im Namen der Lösungsbegabung

Stilles Wissen

  • nach dem Philosophen Michael Polanyi ist stilles Wissen intuitives, erfahrungsgebundenes, nicht verbalisierbares, implizites Wissen (vgl. S. 176)
  • Das Polanyi-Paradoxon: “der Mensch hat Wissen, das er nicht verbalisieren und übertragen kann” (S. 176)
  • Passives, implizites Wissen kann man nicht verbal erklären, man erkennt es jedoch wieder, wenn man es hört.” (S. 176)
  • “Ein Gespräch, das man einmal geführt hat und dessen Inhalt man vergessen hat, ist viel wichtiger als ein Gespräch, das man nie geführt hat. Ein Sachbuch, das man einmal verschlungen hat, dessen Detailthesen man nicht mehr in Erinnerung hat, ist viel bedeutender als ein Sachbuch, das man nie gelesen hat.” (S. 177)

Der ideale Berater

  • “[..] Menschen, die mit ihrem expliziten und impliziten Wissen, mit ihrem Know-How und ihren Erfahrungen, neue Zusammenhänge auch out of the Box im Gespür haben und auch denken können […].” (S. 178)
  • Das ist ein Mensch, “der es im kleinen Finger hat, […] die man gern zu Rate zieht, wenn es darum geht, wirklich hochkarätiges Ideen-Pingpong zu spielen.” (S. 178)

Und wenn du die Freiheit hast — wie willst du sie gestalten?

  • Joachim Gauck, 2012: “Da war es, dieses merkwürdige Unvermögen, aktiv zu werden, wenn aus der Sehnsucht nach Freiheit die Gestaltung von Freiheit wird.” (S. 216)
  • Zuerst wünscht man sich Freiheit, und dann ist man überfordert damit. Vgl. Gründer*innen, EPU.

Vorbereitung auf das Bedingungslose Grundeinkommen

  • “Ein vielerorts gefordertes bedingungsloses Grundeinkommen steht im Raum. Sind die Menschen darauf vorbereitet beziehungsweise dafür ausgebildet, sich zu beschäftigen — auch ohne Arbeit?” (S. 230)
  • “Wird es eines Tages notwendig sein, das Bildungssystem mehr als heute darauf auszurichten, Menschen beizubringen, sich beschäftigen zu können und zu wollen, auch wenn sie keiner “geregelten” Arbeit nachgehen (Busy without Work)?” (S. 230)

Welches Problem willst du lösen?

  • “Das Tätigkeitsfeld für Problemlöser ist nahezu unbegrenzt. Ob im Privatleben oder in der Berufswelt, die Frage wie, wann und bei welchen Problemen man sich engagieren will und kann, hängt von unzähligen Parametern ab. Und das ist gut so. Denn dadurch wird die Chance gewahrt, dass es für wirklich jedes Problem auch grundsätzlich einmal eine ausreichende Anzahl an Ermöglichern gibt.” (S. 241)

Literaturtipps

  • Susan Blackmore: Die Macht der Meme. Oder die Evolution von Kultur und Geist. (2000)
  • Yuval N. Harari: 21 Lektionen für das 21. Jahrhundert (2018)
  • Evi Hartmann: Ihr kriegt den Arsch nicht hoch. Über eine Elite ohne Ambition. (2018)

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