📙 Wolf Lotter: Strengt euch an! (2021)

Wir sind unglaublich beschäftigt, aber wir strengen uns nicht an. Wolf Lotter ist in diesem Buch mal wieder sehr scharfsichtig.

1. Kapitel: Die MĂĽhen der Ebene

Die MĂĽhen der Ebene

  • “Es ist viel schwieriger, sich unter guten Bedingungen anzustrengen als in Zeiten bitterer Not, in denen es um Leben und Tod geht. Aus den Komfortzonen heraus Ziele zu schaffen und Zukunft zu denken, damit haben Menschen kaum Erfahrung. Aber wenn wir uns nicht anstrengen, genau das zu tun, fĂĽhrt die Ebene in den Untergang.” (S. 9f)

Was ist Leistung in der Wissensgesellschaft?

  • “Wir sind fleiĂźig, aber wir strengen uns nicht an. Es ist deshalb höchste Zeit, darĂĽber nachzudenken, was Leistung ist und was sie in den neuen Zeiten sein könnte.” (S. 11)

Die neue Anstrengung

  • “Die MĂĽhen der Ebenen bestehen also darin, herauszufinden, was wir wollen. Das ist eine PrĂĽfung der Sonderklasse. Keine Not, keine existenzielle Bedrohung ist heute unser größter Feind, sondern das Neuland der eigenen Entscheidung, die einem niemand mehr abnimmt. Wir mĂĽssen lernen, uns ohne Zwang anzustrengen […].” (S. 16)
  • “So sieht es aus: Unsere Anstrengungen verlanden von uns Aufrichtigkeit, Selbstkritik, Selbsterkenntnis und die groĂźe BemĂĽhung, uns selbst ernst zu nehmen und aus unserem Leben etwas zu machen. Man muss fĂĽr Veränderungen arbeiten. So einfach ist das. Die MĂĽhen der Ebenen verlangen nach einer neuen Leistungsgesellschaft. Die besteht erst einmal darin, dass wir uns ehrlich machen, so gut das geht. Ernsthaft.” (S. 17)

Veraltete Leistungskategorien

  • “Wir denken in Leistungskategorien der Industrie und der Zeiten davor.” (S. 18)
  • “Das wirkliche Leben ist komplex, der Leistungsbegriff des Industrialismus und seiner Ideologien aber ist simpel: Er wird vereinheitlicht, wie die Steuerklassen von Autos nach Hubraum und/oder Pferdestärken (Kilowatt), Schulnoten und Mitarbeiterbeurteilungen. Die Fähigkeiten, Komplexität zu erschlieĂźen, Individualität und Originalität — wegen der darin enthaltenen Lösungsfähigkeit — zu fördern, gehören eindeutig nicht zum industrialistischen Weltbild. Sie gehören in die Domäne der Wissensgesellschaft.” (S. 20)

Das bedingungslose Grundeinkommen verpflichtet

  • “Das bedingungslose Grundeinkommen dient der bedingungslosen Selbstorientierung, dem Herausfinden, was man am besten machen kann und will. […] Es fordert aber dennoch etwas ein: sich zu bemĂĽhen, zu erkennen, was man mit seinem Leben wirklich will.” (S. 28)

Selbstverwirklichung, richtig verstanden

  • “Selbstverwirklichung bedeutete nie eine Entwicklung an der Gesellschaft oder Gemeinschaft vorbei. Es bedeutet, herausgefunden zu haben, was man am besten kann, und wie man anderen damit am besten dienen kann. Damit ist man nämlich auch selbst am besten bedient.” (S. 29)

2. Kapitel: Man On The Moon

Die modernen Sklaventreiber sind wir selbst

  • “Pausen und Ruhezeiten, auch Lebenszeiten, in denen man nichts tut, sind im wahrsten Sinne des Wortes lebensnotwendig. Und Nichtstun, das ist nicht Untätigkeit, sondern etwas, das zweckfrei ist im Sinne von Verpflichtung, auch der Selbstverpflichtung. Die Moderne hat die alten Sklaventreiber nicht ĂĽberwunden, damit an ihre Stelle der schlimmste von allen tritt, der, dem man nicht entrinnen kann und der auch keine Gnade kennt, man selbst also.” (S. 38)

Wissensgesellschaft vs. Industrialismus

  • Wissensgesellschaft: “Leistung in der Wissensgesellschaft hat entscheidend mit originellen, unverwechselbaren Lösungen zu tun.” (S. 42)
  • Industrialismus: “Man preist die eigenen VorzĂĽge. Oder man klaut, remixt und bedient sich bei den Ideen anderer.” (S. 42)

BemĂĽhen lohnt sich nicht

  • “Was alle lernen, die sich bemĂĽhen: Das lohnt nicht. Und so funktioniert die ganze Welt, eine Leistungstäuschung erster Ordnung, bei der schon SchĂĽlern, Studenten und Berufsanfängern beigebracht wird, dass eigene Leistung, BemĂĽhung, sich nicht lohnt, und dass man besser nur so tut als ob. Das muss aufhören, sonst gehen wir unter.” (S. 45)

Der Fluch des Erfolges

  • “Man war so erfolgreich, dass man aufgehört hatte, sich anzustrengen.” (S. 49)
  • vgl. Avis: We try harder (als #2)

Wir Selbstgerechten

  • “Wir sind faul, entscheidungsschwach und unbemĂĽht, wir leisten nichts. Wir sind selbstgerecht und ĂĽberheblich, und das fĂĽhrt seit langem dazu, dass wir nichts mehr an Neuem erkennen und jede Veränderung als Bedrohung sehen.” (S. 55)

3. Kapitel: Das Feuer der Leistung

Corona

  • “Wenn man also die Seuche nicht einfach nur als “Schicksalsschlag” stumm und leidend erträgt, sondern sich fragt, was denn machbar ist, trotzdem, dann kommt man weiter.” (S. 97)

Unselbständigkeit

  • “Es gibt unendlich viele unselbständige Leute, die gar nicht selbstbestimmt arbeiten wollen, weil sie das nie gelernt haben. Sie sind das endlose Reservoir dessen, was man Modernisierungsverlierer nennt.” (S. 102)
  • “Minderleister sind heute die, die nicht selbständig arbeiten und denken können.” (S. 102)
  • “Die neue Leistungsgesellschaft, die Meritokratie der Wissensarbeit, muss sich gegen diese Lähmschicht wehren. Denn sie ist heute noch weiter verbreitet als damals; der Wohlstand hat nämlich auch eine weitere Schattenseite: Er ermöglicht es vielen, in ihrer Apathie weiterzumachen.” (S. 103)

Falsche Freunde

  • “Es gibt im groĂźartigen Film Mars-Attacks! eine schöne Szene, in der die blutrĂĽnstigen Invasoren vom Mars durch die StraĂźen fahren und per Lautsprecher, während sie mit Lasern die Bevölkerung auslöschen, rufen: “Wir sind Eure Freunde!” Das klingt paradox, ist aber ganz normal. Man wird heute vom Marketing vieler Unternehmen und von Menschen mit wenig Selbstvertrauen nach ebendiesem Muster gehandelt. Man wird geduzt, ohne dass man sich kennt.” (S. 112f)
  • vgl. Ist Facebook wirklich dein Freund? Dein iPhone? Apple? Google?

Leistungskrank

  • “Gerade Wissensarbeiter, die weit selbstbestimmter arbeiten als ihre Vorfahren in Fabrik und BĂĽro, mĂĽssen deshalb lernen, rechtzeitig Pause zu machen, also ihre Kräfte selbst einteilen lernen. Hier sehen wir aber, dass das kaum jemand gelernt hat, sonst gäbe es das GefĂĽhl der totalen Ermattung, den Burn-out, nicht.” (S. 115)
  • “Burn-out ist weniger eine Krankheit des Körpers als vielmehr des Geistes, und hier wieder eine Frage der Einstellung zu Leistung und zur Selbstverantwortung. Macht man beim Rattenrennen des alten Systems mit oder fängt man an, menschen- und wissensarbeitsgerechtere Organisationen und Netzwerke zu gestalten?” (S. 116)

Leistung ist etwas fĂĽr Erwachsene

  • “Leistung und BemĂĽhung sind etwas fĂĽr Erwachsene, Leute, die wissen, wer sie sind. Respekt und Anerkennung darf man nicht mit Geliebtwerden verwechseln. Respekt und. Anerkennung gibt man sich in erster Linie selbst, und es ist ein groĂźes GlĂĽck, wenn das jemand mit einem teilt […].” (S. 117)
  • “Wir mĂĽssen lernen, viel zu leisten, ohne uns dabei völlig zu verausgaben. Das ist eine schwere Ăśbung, und dass sie nötig ist, sehen wir an allen Ecken und Enden.” (S. 117)

Gib dein Bestes. Tu es fĂĽr dich.

  • “Streng dich an — weil Du gar keine andere Wahl hast!” (S. 121)
  • “Wenn wir uns nicht selbst bemĂĽhen, dann mĂĽhen wir uns ein Leben fĂĽr andere ab, ein sinnloses Leben.” (S. 121)

Flow = der Traum vom selbst geschaffenen Paradies

  • “Wir werden viel zu tun haben, wir werden uns enorm anstrengen, sogar verausgaben, vielleicht gelegentlich auch erschöpfen, aber ohne daran zu zerbrechen: Denn die Freude an dem, was wir tun, wird die MĂĽhen bei weitem ĂĽberlagern.” (S. 123)

The Long Game

  • “Die Anstrengungen, die uns abverlangt werden, wenn wir mĂĽde sind und erschöpft, die Geduld, die man braucht, um Ziele zu erreichen, und die NĂĽchternheit, mit der wir aus dem “Flow” mehr fĂĽr uns herausholen als bloĂź von ihm besoffen zu werden — ohne all diese BemĂĽhungen kommen wir nicht voran.” (S. 124)
  • vgl. Dorie Clark: The Long Game