Das digitale Notizbuch von Günter Schmatzberger

Eindeutlich

E

Meine Tochter ist mit ihren sechs Jahren in dem wunderbaren Alter, wo sie (bewusst oder unbewusst) neue Wörter erfindet. Die Sprachwissenschaftler würden sagen: Sie ist produktiv.

Eine ihrer Schöpfungen gefällt mir sehr gut: Eindeutlich.

„Eindeutlich“ fasst für mich nämlich zwei Ansprüche zusammen, wenn wir andere Menschen von etwas überzeugen möchten, das uns wirklich am Herzen liegt:

  1. Sei dir eindeutig klar darüber, was es ist, das du bewirken möchtest.
  2. Habe den Mut, diese Intention auch deutlich zu benennen – und zwar nicht nur bei Schönwetter.

Lasst uns also heute mal einen ganzen Tag lang eindeutlich bei der Sache sein. Gut möglich, dass es ein leiwander Tag wird.

Schwere Newsletter

S

Unlängst schrieb mein Freund Bernhard Reingruber in seinem Newsletter, dass er genug hat von „der Schwemme an Newslettern und halb gebackenen Ideen, die durch die Posteingänge unserer Breiten schwirren“.

Recht hat er. Ich hab’s aber (mal wieder) nicht genau genug gelesen und geglaubt, er hat genug von der Schwere der Newsletter in seinem Posteingang.

Ich finde das Bild, dass Newsletter ein Gewicht haben, eigentlich sehr schön.

Ja, Newsletter können sehr schwer sein, z.B. weil sie inhaltlich sehr dicht sind oder weil sie vom Empfänger zu viel auf einmal wollen.

Newsletter können aber auch zu leicht sein, wenn die Empfängerin das Gefühl hat, im Newsletter steckt viel Blabla, aber keine Substanz.

Die besten Newsletter sind natürlich die, die das genau passende Gewicht für ihre Empfänger:innen haben. Nicht zu leicht und nicht zu schwer. Und gleichzeitig ist es unmöglich, das Idealgewicht für jede:n Empfänger:in hinzubekommen, denn wie viel Gewicht gerade optimal ist, variiert von Empfängerin zu Empfänger und hängt auch von deren Tagesstimmung ab.

Und dennoch nehme ich mir die Idee mit, dass ich mich das nächste Mal, bevor ich meinen Newsletter aussende, fragen kann: Und, Günter, wie viel Gewicht hast du dieses Mal in den Newsletter gepackt? Zu leicht, zu schwer oder angenehm zu tragen?

Überraschungs-Effekt

Ü

Wenn du aufhörst, dich in deinem Business pausenlos darum zu kümmern, was die anderen denken, wenn du aufhörst es allen recht machen zu wollen, wenn du mit den „Bloß nicht anecken“-Strategien Schluss machst, dann passiert etwas Tolles.

Es stellt sich die von vielen oft gepriesene, aber von kaum jemand tatsächlich gelebte Authentizität ein.

Altersarmuts-Verdacht

A

Christian Kern meinte unlängst, dass bei den EPUs und KMUs von heute “nicht viel Geld übrig bleibt, um irgendwie Altersvorsorge zu betreiben”. Er sieht da “eine Altersarmuts-Welle, die da auf uns zu kommt”.

Eine düstere Zukunftsvision. Was kann man da tun, Herr Kern? “Und da ist meine Meinung: Das kann in einem Land wie Österreich nicht sein. Aber damit man sowas vermeiden kann, musst du halt realistisch sagen: Jeder, der kann, muss einfach ein paar Jahre länger bleiben.”

„Länger bleiben“ heißt in dem Fall: Später in Pension gehen. Wir werden wohl alle länger arbeiten müssen in Zukunft, auch wenn sich das kaum wer klar sagen traut.

Lifestyle Entrepreneure sind dafür vergleichsweise gut gerüstet. Denn in einem Business, wo Geschäftsmodell und Lebensmodell zusammenpassen und das stimmig zur Person und stimmig zum Markt ist, da arbeitet man gerne ein paar Jahre länger.

Wissen vs. Kompetenzen

W

Unlängst habe ich das Buch Geisterstunde des Philosophen Konrad Paul Liessmann gelesen.

Er nennt es eine „Streitschrift“ gegen moderne Entwicklungen an Schulen und Hochschulen, die er nicht für die Fortschritte hält, als die sie sich ausgeben, sondern die zu einer „Praxis der Unbildung“ führen.

Wenn man das Buch so liest, kann einen das Gefühl beschleichen, man hört hier jemanden klagen, dass die „gute alte Zeit“ vorbei ist. Konservativ, polemisch und rechthaberisch wären Adjektive, die mir zum Ton des Buches einfallen.

Was nicht heißt, dass nicht auch Gedanken dabei sind, die ich spannend finde und mit denen er recht haben könnte – auch wenn sie nicht sehr modern sind.

Eines seiner Lieblingsthemen, an dem er sich in diesem Buch abarbeitet, ist die (aus seiner Sicht unsinnige) Tendenz, an Schulen und Hochschulen lieber Kompetenzen als Wissen zu vermitteln. Ich bin zu wenig Experte, um hier wirklich fundiert Stellung nehmen zu können, aber folgenden Gedanken dazu halte ich für teilenswert:

Niemand, kein Schüler und keine Studentin, ist neugierig darauf, eine Kompetenz zu erwerben. Neugierig ist man darauf, etwas Spannendes zu erfahren – also Wissen. Alles Lernen beginnt mit der Neugier. Ohne Neugier gibt es kein Lernen, auch nicht an Schulen und Hochschulen. Und deshalb sollten wir uns, so Liessmann, beim Lehren auf die Vermittlung von Wissen konzentrieren, nicht auf Kompetenzen.

Diese Ansicht wirkt rückschrittlich, und man kann sie teilen oder nicht. Aber ich für mich habe beobachtet: Wenn ich etwas lernen möchte (z.B. indem ich mir einen Podcast anhöre), dann geht es mir immer um das, was in diesem Podcast gesagt wird. Also um das Wissen, das darin vermittelt wird.

Und nicht darum, irgendeine „Podcast-Hör-Kompetenz“ zu verbessern.

Reibebaum

R

Es gibt Menschen, die denken vollkommen anders als ich. Mitunter scheint es mir, als wären sie das komplette Gegenteil von mir. Auch wenn wir uns gar nicht persönlich kennen.

Sarah Tschernigow ist so ein Mensch. Sie ist Unternehmerin und Podcasterin (wie ich), aber sie hat sehr, sehr andere Ansichten davon, was Unternehmertum und Erfolg bedeuten – und damit provoziert sie mich immer wieder.

Und dennoch, nein – und deswegen höre ich mir ihren Podcast regelmäßig an. Weil sie mich dazu bringt, über das nachzudenken, was ich für selbstverständlich halte. Weil sie mir Gedanken präsentiert, auf die ich selber nie gekommen wäre. Weil sie mich zu einem Blick hinaus aus meiner bubble zwingt.

Ich muss ihr nicht zustimmen bei dem, was sie sagt. Aber ich respektiere ihre Meinung und ihren Zugang, und ich bin dankbar für die Möglichkeit, mich daran regelmäßig abzuarbeiten.

Gamification

G

Lernwörter angesagt zu bekommen, macht meinem Sohn (8) überhaupt keinen Spaß.

Kreuzworträtsel zu lösen, findet er extrem leiwand.

Same thing, different Inszenierung.

Zuckersteuer

Z

Bei den Lebensmitteln kann man ein interessantes Phänomen beobachten: Gesunde Lebensmittel sind recht teuer, dafür sind die billigen Lebensmittel oft sehr ungesund.

Für mich als Betriebswirt ist das schwer nachvollziehbar, vor allem dann, wenn man sich nicht nur die Herstellungskosten der Lebensmittel anschaut, sondern vor allem die externalisierten (= ausgelagerten) Kosten von ungesunden Lebensmittel. Es ist nämlich so, dass durch ungesunde Lebensmittel (insbesondere durch Lebensmittel mit viel Zucker) viel mehr Schaden entsteht als durch gesunde. Die Kosten für die ungesunde Ernährung und für die daraus folgenden Krankheiten tragen aber nicht die Hersteller der ungesunden Lebensmittel, sondern die Allgemeinheit. Der Preis der ungesunden Lebensmittel ist daher viel zu niedrig im Verhältnis zu ihren tatsächlichen Kosten.

Man müsste also hergehen und diese externalisierten Kosten in den Kaufpreis der Lebensmittel einpreisen. Ungesunde Lebensmittel würden dadurch viel teurer, dafür könnten gesunde Lebensmittel im Gegenzug viel leistbarer werden.

Dadurch entstünde ein Steuerungseffekt: Besonders Menschen, die beim Lebensmitteleinkauf aufs Geld schauen müssen, würden zu den gesünderen Lebensmitteln greifen, weil sie billiger sind. Und durch die gesündere Ernährung würden die Folgekosten im Gesundheitssystem sinken. Eine Win-Win-Situation.

In 117 Ländern der Welt gibt es bereits eine Zuckersteuer, in Österreich nicht.

Mich würde interessieren, was die Gründe dafür sind. Und zwar die wirklichen Gründe.

Zombie companies

Z

Das sind Unternehmen, die nicht einmal genug Geld hatten, um ihre Zinszahlungen in den letzten drei Jahren zu begleichen, die aber immer wieder frisches Fremdkapital ins Haus geholt haben.

Ruchir Sharma sagt, in den USA wird deren Anteil auf bis zu 20 % geschätzt.

Das fette Auto des Nachbarn

D

Das fette Auto des Nachbarn ist ein Firmenauto. Es gehört ihm nicht.

Das Auto gehört auch der Firma nicht, denn es ist geleast. Es gehört der Bank.

Streng genommen gehört es auch der Bank nicht, denn auch die Bank hat es mit geborgtem Geld gekauft.

Vielleicht geht es gerade nicht um mich

V

Vielleicht geht es darum, jemanden bei etwas zu unterstützen. 

Vielleicht reicht es, in einem einzigen Moment da zu sein, eine kleine Geste, ein kurzes Wort. 

Vielleicht ist das diesmal schon sehr viel – und alles, was nötig ist. 

Gute Supporting Acts sind Gold wert. 

Das relative Glück

D

Wichtig ist uns eigentlich nicht, wie viel Glück (Reichtum, Annehmlichkeiten etc.) wir absolut haben. 

Wichtig ist uns vielmehr, wie viel Glück wir relativ haben – im Vergleich zu unseren Nachbarn, Verwandten, Geschäftspartnern, Kollegen etc. 

Das Unglück des Anderen macht uns glücklicher. 

Traurig, aber wahr. 

Kann es ein Star werden?

K

Bevor du in ein neues Abenteuer startest: Hat es das Potenzial, ein Star zu werden? Oder ist es von Beginn an half-assed?

Was wäre, wenn du nur die Dinge starten würdest, mit denen du wirklich Großes schaffen kannst, mit denen du den berühmten dent in the universe hinterlassen kannst?

Was wäre, wenn du zu allem nein sagst, das diesen Anspruch nicht erfüllt – auch und gerade dann, wenn du andere Menschen dadurch enttäuscht?

Was wäre möglich, wenn du dir das erlauben würdest?  

Was wäre möglich, wenn du dich traust, nur mehr Stars in deinem Leben zu haben?

Reife Ringlotten

R

Ja, du kannst dir eine Leiter nehmen und die Ringlotten vom Baum pflücken. Kann aber sein, dass da ein paar dabei sind, die noch nicht richtig reif und entsprechend sauer sind.

Besser ist, die Ringlotten aufzuklauben, die gerade frisch vom Baum runter gefallen sind. Weil die sind tatsächlich alle reif.

Das Leben wird ein bisschen leichter, wenn man lernt, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten.

Ein guter Coach (2)

E

Niemand, der im (Online-)Business erfolgreich ist, hat es ohne Hilfe von außen geschafft. 

Du brauchst den Blick von außen – sowohl um overconfidence zu entlarven, als auch um eingebildete Defizite aufzulösen. 

Das kriegst du allein nicht hin, so selbstreflektiert kannst du gar nicht sein.

Ein guter Coach (1)

E

Du brauchst jemanden, die es als ihre Aufgabe sieht, dich zu unterstützen.

Ein guter Coach arbeitet für dich. Er ist dein Mitstreiter und hat daneben überhaupt keine Eigeninteressen, keine eigene Agenda. 

Ein guter Coach ist ein professioneller Unterstützer. Für einen bestimmten Zeitrahmen, vielleicht für einen knappen Zeitrahmen, ist sie voll und ganz für dich da.

Ein guter Coach, das ist keine Mastermind-Gruppe. 

Baustellen schließen

B

Es kann sein, dass heute deine wichtigste Aufgabe nicht ist, dein neuestes Projekt voranzubringen, sondern ein altes abzuschließen.

Du tust gut daran, dir Zeit zu nehmen für das Schließen von Baustellen. Baustellen müssen nämlich bewusst geschlossen werden, sonst dümpeln sie vor sich hin und nehmen dir Energie.

Also schließ was ab, nimm dir die Zeit, die dafür nötig ist, und dann geh mit voller Energie an das Neue.

Oder in die Sommerferien.

Hybride Unternehmen (4)

H

Hybride Unternehmen sind KEINE Notlösung!

Jemand, der die Kombination von Anstellung und Selbständigkeit für sich wählt, ist kein gescheiterter Unternehmer. Es ist einfach jemand, der weiß, was für ihn funktioniert und was nicht.

Ein Hybrides Unternehmen ist eine strategische Entscheidung. Es mag weniger glamourös erscheinen als der „Alles-oder-Nichts“-Ansatz, den viele Erfolgsgeschichten propagieren, aber es bietet dir eine realistische und nachhaltige Alternative für deinen unternehmerischen Erfolg.

Hybride Unternehmen (3)

H

Wenn du eine hybride Strategie für dein Business gewählt hast und gerade unter der Belastung deiner Anstellung stöhnst und du das Gefühl hast, dass deine Selbständigkeit viel zu kurz kommt, dann vergiss nicht:

Deine Anstellung bringt dir jeden Tag Geschenke für deine Selbständigkeit. Den Austausch mit anderen Menschen. Trainings- und Übungsmöglichkeiten ohne großes Risiko. Neue Perspektiven. Größere und kleinere Herausforderungen und Wachstumsmöglichkeiten. Und natürlich Geld, das du für deine unternehmerische Weiterentwicklung nutzen kannst.

Sei dankbar für diese Geschenke und schätze sie auch in der Hitze der Doppelbelastung nicht gering.

[Danke an die Hybride Unternehmerin Christina Putz für diesen Gedanken.]

Hybride Unternehmen (2)

H

Hybride Unternehmen sind besonders herausfordernd für Selbständige in lehrenden, helfenden und beratenden Berufen.

Grundsätzlich wäre die Idee ja, ein „Standbein“ (Anstellung) und ein „Schwungbein“ (Selbständigkeit) zu definieren. Das Standbein sollte primär deiner finanziellen Absicherung dienen, während das Schwungbein dir Raum für Kreativität und Wachstum bietet.

Idealerweise wäre das Standbein ein Job, der regelmäßig ein schönes Knödl ins Haus bringt, aber in dem man sich nicht verausgabt. Man will ja auch noch Zeit, Kraft und Energie für die Selbständigkeit haben.

Genau darin tun sich Berater:innen, Therapeut:innen, Trainer:innen etc. schwer. Sie suchen sich meist ein Standbein, das sie auch ein bisschen herausfordert und in dem sie was lernen können. Monotone Tätigkeiten wären ihnen viel zu langweilig.

Also steht er/sie dann da mit zwei helfenden Jobs, einen in der Selbständigkeit und einen in der Anstellung. Und das ist seeeehr anstrengend, weil helfende Jobs die Tendenz haben, übergriffig zu werden und mehr als 100% zu verlangen. Das gilt schon für einen solchen Job, aber umso mehr für zwei Jobs.

Hybride Unternehmen funktionieren nur, wenn wir lernen, sehr strategisch zu denken und klare Rollen zu definieren – und durchzuhalten.