Tag#Hochschullehre

Ironiefrei

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Ich habe einen Kollegen, der tut sich schwer mit Ironie. Er hört sie nicht und versteht sie schlecht.

Einen Tag mit diesem Kollegen zu verbringen, ist für mich eine spannende Erfahrung.

Denn da merke ich erst, wie VIEL ich an einem einzigen Tag sage, das ich eigentlich gar nicht so meine.

Die Taschenrechner-Frage

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Ich habe ja schon darüber gebloggt, dass ich bei meinen Buchhaltungs-Prüfungen an den FHs immer meinen Taschenrechner mitnehme, weil immer ein Student dabei ist (ja, es sind immer Männer), der seinen Taschenrechner vergessen hat.

In dem Fall borge ich dann meinen Taschenrechner her, damit der Student eine faire Chance hat, seine Prüfung korrekt zu lösen.

Das müsste ich nicht tun, und einige Lehrbeauftragte würden es aus Prinzip nicht tun. Nach dem Motto: Wer in diesem Alter mal fähig ist, zu einer Prüfung das mitzunehmen, was er braucht, der muss auch mit den Konsequenzen leben. Sonst lernt er es nie.

Mag sein. Mein Zugang ist halt ein anderer. Ich sage mir: Wenn ich mit dieser kleinen Geste jemandem den Tag retten kann, warum sollte ich es nicht tun?

Versteckte Ansprüche aufdecken

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Je weiter sich die KI-Tools entwickeln, desto dringender wird für (Fach-)Hochschulen die Frage: Zu was bilden wir unsere Studierenden eigentlich aus?

Diese Frage war immer wichtig, aber jetzt macht sie KI sehr drängend. Das „Hidden Curriculum“ – also der Anspruch, der über und hinter den eigentlichen Lehrzielen liegt – muss transparent werden: Was ist im Studium eigentlich wichtig, was ist unwichtig und was sogar unerwünscht?

Solange diese Frage nicht ernsthaft beantwortet ist, kann man über die Rolle von KI in der Hochschullehre nicht vernünftig sprechen.

Das Tool für alles

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Eine Entwicklung, die bereits begonnen hat und die sich wohl noch verstärken wird: Generative AI (also Tools wie ChatGPT und Konsorten) werden als „Tool für alles“ verwendet.

Jede Aufgabe, die uns ein bisschen anstrengend erscheint, wird einer KI vorgesetzt – egal, ob das sinnvoll ist oder nicht. Oder überhaupt notwendig.

KI ist ein Werkzeug, aber es ist eine andere Art von Werkzeug als z.B. ein Hammer. KI ist ein Werkzeug, das viel Reflexion und viel Klarheit voraussetzt, um es richtig verwenden zu können.

Sonst fällt es uns auf die Füße.

Festrede

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Unlängst wurde ich eingeladen, bei der Sponsionsfeier des Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten die Festrede zu halten.

In dieser Rede war es mir ein Anliegen, meinen ehemaligen BWL-Studierenden folgende vier Dinge auf ihren weiteren Weg mitzugeben:

  1. Schauen Sie sich um, wo Sie helfen können. Schauen Sie sich um, wo Sie gebraucht werden und machen Sie sich nützlich. Probleme und Herausforderungen gibt’s genug!
  2. Scheuen Sie den Aufwand nicht. Alles, was im Leben gut und wichtig ist, erfordert auch Anstrengung und Engagement.
  3. Achten Sie auf Ihre Kussbilanz, weil das ist die einzige Kennzahl, die am Ende Ihrer Tage wirklich zählen wird.
  4. Es geht immer, immer, immer um die Menschen. Wenn Sie ein gutes Herz haben und in guter Absicht — menschlich — handeln, dann haben Sie Ihre Lebens-Strategie richtig ausgerichtet.

Unternehmerisches Denken und Handeln ist nämlich nichts wert, wenn es nicht von einer humanistischen Grundhaltung getragen wird.

Erfolgsgesellschaft

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Es heißt immer wieder mal, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Das beschäftigt mich immer wieder, z.B. da und da und da.

Unlängst habe ich einen neuen spannenden Gedanken zu diesem Thema gehört: Wir bewegen uns von einer Leistungsgesellschaft hin zu einer Erfolgsgesellschaft.

Es geht also nicht (mehr) so sehr um die Leistung, sondern um den Erfolg. Was bedeutet, dass wir zwar (immer noch) den Erfolg wollen, aber die Anstrengung, die Leistung als Weg dort hin hat nicht mehr den Stellenwert wie früher. Jede Abkürzung zum Erfolg ist uns recht, und wenn wir Erfolg haben können ganz ohne Leistung, umso besser.

Wenn diese Hypothese stimmt, dann könnten Gründungsberatung und Hochschullehre sehr spannend werden in den nächsten Jahren.

Wissen vs. Kompetenzen

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Unlängst habe ich das Buch Geisterstunde des Philosophen Konrad Paul Liessmann gelesen.

Er nennt es eine „Streitschrift“ gegen moderne Entwicklungen an Schulen und Hochschulen, die er nicht für die Fortschritte hält, als die sie sich ausgeben, sondern die zu einer „Praxis der Unbildung“ führen.

Wenn man das Buch so liest, kann einen das Gefühl beschleichen, man hört hier jemanden klagen, dass die „gute alte Zeit“ vorbei ist. Konservativ, polemisch und rechthaberisch wären Adjektive, die mir zum Ton des Buches einfallen.

Was nicht heißt, dass nicht auch Gedanken dabei sind, die ich spannend finde und mit denen er recht haben könnte – auch wenn sie nicht sehr modern sind.

Eines seiner Lieblingsthemen, an dem er sich in diesem Buch abarbeitet, ist die (aus seiner Sicht unsinnige) Tendenz, an Schulen und Hochschulen lieber Kompetenzen als Wissen zu vermitteln. Ich bin zu wenig Experte, um hier wirklich fundiert Stellung nehmen zu können, aber folgenden Gedanken dazu halte ich für teilenswert:

Niemand, kein Schüler und keine Studentin, ist neugierig darauf, eine Kompetenz zu erwerben. Neugierig ist man darauf, etwas Spannendes zu erfahren – also Wissen. Alles Lernen beginnt mit der Neugier. Ohne Neugier gibt es kein Lernen, auch nicht an Schulen und Hochschulen. Und deshalb sollten wir uns, so Liessmann, beim Lehren auf die Vermittlung von Wissen konzentrieren, nicht auf Kompetenzen.

Diese Ansicht wirkt rückschrittlich, und man kann sie teilen oder nicht. Aber ich für mich habe beobachtet: Wenn ich etwas lernen möchte (z.B. indem ich mir einen Podcast anhöre), dann geht es mir immer um das, was in diesem Podcast gesagt wird. Also um das Wissen, das darin vermittelt wird.

Und nicht darum, irgendeine „Podcast-Hör-Kompetenz“ zu verbessern.

Konrad Paul Liessmann: Geisterstunde (2014) 📙

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Eine “Streitschrift” gegen die “Praxis der Unbildung” – und damit so ziemlich gegen alles, was sich als “moderne Pädagogik” bezeichnet. Konservativ, polemisch und rechthaberisch wären Adjektive, die mir zum Ton des Buches einfallen. Aber spannend sind Liessmanns Gedanken allemal.

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Prinzip der minimalen Hilfe

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In einem Hochschuldidaktik-Workshop der FH St. Pölten habe ich das Prinzip der minimalen Hilfe kennengelernt.

Die Idee ist ziemlich einfach: Hilf deinen Studierenden nur so viel, wie sie zum Lernen unbedingt brauchen. Nicht mehr, Weil: Wir engagierte Lehrende (und Berater:innen) übertreiben es gerne mit unserer Hilfe.

Im Prinzip der minimalen Hilfe gibt es fünf Stufen:

  1. Motivationshilfe: Ermutigung, es weiter (nochmal) zu probieren.
  2. Rückmeldehilfe: Feedback auf die bisher geleistete Arbeit.
  3. Allgemeine strategische Hilfe: Hinweise, wo sie Inhalte/Hilfestellungen finden.
  4. Inhaltsorientierte strategische Hilfe: Inhaltliche Rückmeldung, Hinweise zur weiteren Vorgangsweise.
  5. Inhaltliche Hilfe: Intensive Auseinandersetzung mit der Arbeit, Korrekturen vorschlagen.

Die Kunst eines guten Lehrers (und effektiven Beraters) ist zu erkennen, welche Art von Hilfe gerade angebracht ist.

Wenn man das weiß, dann ist das Helfen gleich viel leichter.

Online-Pareto

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Bei Online-Lehrveranstaltungen gilt ganz massiv das Pareto-Prinzip: 80 % der aktiven Beiträge kommen von 20 % der Teilnehmer:innen.

Das ist eh okay. Das ist eh immer so. Das hat viele unterschiedliche Gründe.

Aber wenn man das nicht weiß (oder darauf vergisst), dann könnte einen das schon frustrieren.

Lernen ist schwer!

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Schau dir dieses Video an und überleg dir dabei: Was lernst du aus diesem Video über das Lehren, Lernen und Beraten?

Spoiler: Ein paar Dinge, die ich aus dieser Übung gelernt habe:

  • Als Lehrender brachst du die Einzelteile nicht unbedingt vorab sortieren. Du kannst auch einfach tun. Aber als Lernender hast du dann ganz schön viel Sortier-Arbeit.
  • Wenn eine wichtige Information fehlt, entsteht schon eine Fehlkonzeption.
  • Je größer und komplizierter das Gedanken-Gebäude ist, desto schwieriger wird das Mit-Bauen (= das Nachvollziehen).
  • Irgendwann wird es anstrengend – selbst beim reinen Zuschauen!
  • Du musst Pausen zum Reflektieren, zum Verarbeiten lassen. Gib den Lernenden „Zeit zum Atmen“.
  • Wenn man etwas nicht richtig einordnen kann, dann beschäftigt einen das ganz schön lang.
  • Obwohl du glaubst, du hast eh alles super erklärt, wird nicht alles richtig ankommen. Und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass du nicht mal merkst, was alles falsch verstanden worden ist.
[Danke Alessandra Kenner für den leiwanden Methodik-Workshop!]

Zweiter Taschenrechner

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Ich habe ja schon mal darüber geschrieben, dass bei jeder Prüfung jemand dabei ist, der seinen Taschenrechner vergessen hat. Es ist immer einer. (Es sind ausschließlich Männer.)

Diese Hypothese hat sich in den letzten Wochen zweimal bestätigt. Deshalb habe ich immer meinen eigenen Taschenrechner mit, um ihn bei Bedarf herborgen zu können. (Ja, ich bin ein netter Professor.)

Aber bei der letzten Prüfung ist etwas Spannendes und für mich völlig Überraschendes passiert: Als sich derjenige meldete, der seinen Taschenrechner diesmal vergessen hatte, sagte plötzlich ein Kollege von ihm: Hier, ICH habe einen zweiten Taschenrechner mit!

Für mich der allerbeste Grund, meinen Ersatz-Taschenrechner im Rucksack lassen zu können.

Verletzlich

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Unlängst hat eine Kollegin sehr offen von einer persönlichen Niederlage erzählt. Dass sie es nicht geschafft hat, die erhoffte Veränderung herbeizuführen und wie sie dadurch einen Auftrag verloren hat, der ihr sehr am Herzen gelegen hatte.

Als Zuhörer habe ich ihren Schmerz gespürt. Ich habe einen Moment teilhaben können an ihrem inneren Kampf zwischen Zuversicht und Enttäuschung. Der Schmerz war in ihrem Gesicht zu sehen und in ihrer Stimme zu hören.

Und gleichzeitig war sie in dieser Situation höchst würdevoll.

Ich habe vor meiner Kollegin noch nie so viel Respekt gehabt als in diesem Moment ihrer größten Verletzlichkeit.

Vermarktwirtschaftlichung der Bildung

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Heute vor 3 Jahren, am 8. April 2021, ist einer meiner großen Vorbilder als Lehrer und Denker gestorben: Erich Ribolits.

Ein großes Anliegen war ihm stets, dass Bildung (und insbesondere das gesellschaftlich organisierte Lernen an Schulen, Hochschulen und in der Erwachsenenbildung) der Emanzipation der Menschen dienen soll. Bildung in seinem Verständnis war immer die Idee, dass Menschen befähigt werden sollen, ihr Leben in Würde zu leben.

Was er immer kritisiert hat: Dass die Bildungsinstitutionen als reine Zulieferer für „die Wirtschaft“ gesehen werden. Und, dass in der Folge der Bildungssektor selbst immer mehr zu einem profitorientierten Wirtschaftszweig wird.

Welche negativen und teilweise grotesken Auswirkungen die von Ribolits kritisierte „Vermarktwirtschafltichung der Bildung“ hat, habe ich als Lehrer in verschiedensten Formen immer wieder beobachten müssen.

Auch, wenn ich nur ein kleines Rädchen im Bildungswesen bin, bestärkt mich Erich Ribolits bis heute, in meinem Unterricht die Würde des Menschen an die erste Stelle zu stellen.

Obwohl (oder gerade weil) ich BWL unterrichte, weiß ich: Es geht letztenendes immer um die Menschen. Alles Andere führt uns in die Irre.

Experimente

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Jedes Experiment bietet die Chance auf eine Verbesserung.

Keine Garantie, aber die Möglichkeit.

Ohne Experimente gibt es sicher keine Verbesserung.

Mehr Produkte!

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Es ist mir in der Hochschullehre aufgefallen, aber es gilt auch für ganz viele Solopreneure:

Wir versuchen, ein Marketing-Problem mit mehr Produkten, Content oder Angeboten zu lösen.

Wenn das Problem in deinem Marketing liegt, wird ein neues Produkt dieses Problem nicht lösen.

Wetten?

Idealisten

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In jeder Profession gibt es Menschen, die (viel) mehr tun als notwendig. Weil sie wollen. Weil sie können. Aus Idealismus.

Aber viele sind es nicht.

Pädagogik erfordert Entscheidungen

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Mir ist wichtiger, dass meine Studierenden BWL mögen, als dass sie BWL können.

Das ist eine kontroverse Meinung, und das kann man auch ganz anders sehen.

Aber mein Zugang ist: Wenn jemand BWL mag, dann hat er immer die Motivation, das zu lernen, was er/sie noch nicht weiß.

Hingegen: Wenn jemand BWL kann, aber nicht mag, wird er/sie keinen Beruf wählen, in dem er/sie seine/ihre BWL-Kenntnisse anwenden können würde. Wer will sich in seinem Job schon ständig selber quälen?

[Danke Dave Cormier für diesen Gedanken.]

Wir müssen reden!

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Im deutschsprachigen Raum haben wir oft folgenden Zugang: Ich als Experte (Hochschullehrer, Wissenschaftler etc.) schreibe komplizierte Bücher, Artikel Vorträge etc., und es ist die Aufgabe meiner Leser/Hörer/Studierenden, sich in meine Bücher/Artikel/Vorträge „einzuarbeiten“ und sich meine Konzepte zu „erschließen“.

Im englischsprachigen Raum gibt es folgenden Zugang: Es ist meine Aufgabe als Experten, dass ich mich so verständlich mache, dass meine Leser/Hörer/Studierenden mich möglichst gut verstehen. Ich muss mein Bestes geben, dass möglichst viele Menschen mir „folgen“ können.

Zwei ganz verschiedene Zugänge. Der eine fördert den Diskurs, der andere eher nicht.

Dabei hätten wir Expert*innen und und unsere Schüler*innen sehr viel zu besprechen!

Solidarität ist zu wenig

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An jeder Fachhochschule haben die Studierenden die Gelegenheit, jeden einzelnen Lehrenden und jede einzelne Lehrveranstaltung zu evaluieren. Sie können rückmelden, was ihnen gefallen hat und was nicht und was der Lehrende in Zukunft anders bzw. besser machen könnte.

An einer Fachhochschule, an der ich unterrichte, beträgt die durchschnittliche Rücklaufquote für diese Evaluierungen ca. 25 %. Das heißt, nur jeder vierte Studierende macht von der Evaluierungsmöglichkeit Gebrauch. Und, noch schlimmer: 50 % aller Lehrveranstaltungen erreichen nicht einmal die Mindest-Teilnehmerzahl von 4 Studierenden, damit die Evaluierung überhaupt gültig sein kann.

Warum das so ist, lässt sich leicht erklären: Die Studierenden haben nichts von der Evaluierung. Für sie ist die Lehrveranstaltung vorbei. Und nichts, was sie in der Evaluierung rückmeldeten, würde an der Lehrveranstaltung noch irgendetwas verändern. Noch dazu sind die meisten Studierenden mit „eh okay“ zufrieden – nicht super happy, aber auch nicht unzufrieden genug, um sich zu beschweren. Warum also die Mühe machen und evaluieren?

Eigentlich gibt es nur einen einzigen guten Grund: Solidarität. Solidarität mit den Verantwortlichen der Fachhochschule, die auf die Evaluierungsergebnisse angewiesen sind, wenn sie Verbesserungen in der Lehre vornehmen wollen.

Und Solidarität mit den nachfolgenden Jahrgängen des Studiengangs. Für die Studierenden, die evaluieren, mag die Lehrveranstaltung gelaufen sein, aber ihre Nachfolger*innen könnten von konstruktivem Feedback sehr profitieren.

Es ist, denke ich, ein Zeichen unserer Zeit, dass Solidarität kein Argument ist, das stark genug ist, um seine Bequemlichkeit zu überwinden.