Erich Ribolits: VO Bildungstheorie und Gesellschaftskritik 🙋‍♂️

E

1. Einheit – 15. März 2014

Ein intelligentes Wesen ist eines, das in seinem Verhalten nicht vorhersehbar ist (Rationalität =/ Intelligenz).

  • Intelligenz hat zu tun mit Unberechenbarkeit, Unvorhersehbarkeit, Freiheit.

Eine Aufforderung wie „Sei frei!“ ist absurd.

  • Freiheit auf Aufforderung von oben = ein Widerspruch in sich selbst.
  • Freiheit kann man sich nur selbst nehmen. Nur die Freiheit, die man sich selbst nimmt, ist tatsächlich Freiheit.
  • Nur die Provokation kann zur Freiheit anleiten(!), weil sie die bisherigen Denkbahnen herausfordert und in Frage stellen lässt.
    • Vgl. koan – Zen
    • So lässt sich auch die Verführung im Paradies durch die Schlange interpretieren. Verführung ist eine einzige Provokation, die den Menschen dazu führt, das Paradies zu verlassen.
    • An Grenzen stoßen, Selbstverständlichkeit des bisher Geglaubten in Frage stellen (andere Kulturen, andere Zeit!)
    • „Ah jo, es is jo wirklich was Anderes möglich!“
    • Anbieten von Möglichkeiten, dazu zwingen kann man niemanden -> Bildung lässt sich niemals erzwingen

Freiheit beginnt beim „Nein“.

  • Die Verweigerung ist sichtbare Freiheit.
  • Ein Kleinkind fühlt sich eins mit der Umgebung (Alleinheit) – vgl. den Zustand, den man durch Meditation erreichen möchte.
  • Die Freiheit artikuliert sich über das „Nein!“.

Der Bildungsbürger ist kritisch, aber nicht revolutionär.

  • Er beobachtet, er hinterfragt, er ärgert sich, ballt seine Faust – und steckt sie dann in die Hosentasche, damit sie keiner sieht.

Die Unterscheidung zwischen „Bildung“ und „Ausbildung“ gibt es nur im deutschsprachigen Raum

  • Einem Franzosen, Engländer,… ist der Unterschied gar nicht begreifbar zu machen.
  • „Den Menschen zu seinem eigenen Herrn zu machen.“

Die Frage, „wie man sein soll“, hat mit dem Sterben zu tun.

  • Ohne Sterben wäre kein Nachdenken nötig.
  • Das Nachdenken über den Tod wird heute sehr verdrängt; früher war der Tod präsenter (memento mori).
  • Früher kirchliche Antwort, später staatliche, jetzt zunehmend ökonomische Antwort.
  • Wie wir den Sinn des Lebens definieren.

„Bildung“ ist das Bewusstsein von Freiheit

Freiheit trotz Gesellschaft

  • Wir müssen uns an bestimmte Rahmenbedingungen halten, denen wir nicht (leicht) entkommen.
  • In dieser Gesellschaft ist Geld die Voraussetzung für Freiheit, bietet Spielraum.
  • Deshalb müssen wir uns „brauchbar“ machen, z.B. um einen Job zu bekommen.
  • „Gigantische“ Anbindung an die Gesellschaft
  • Trotzdem: durch Nachdenken, kritisch sein, gegen gesellschaftliche Missstände auftreten.

„Ich will einmal nur etwas arbeiten, das mir Spaß macht!“

  • „Warum sollte ihnen jemand etwas zahlen, das Ihnen Spaß macht?“
  • Grundsätzlich geht es in der Arbeitswelt nicht um Spaß, sondern darum, seine Arbeitskraft möglichst teuer zu verkaufen, damit ich damit das Geld verdiene, um mir Freiheit (und Spaß) zu kaufen – oder das, was wir für Spaß halten…

2. Einheit – 22. November 2014

Beurteilung in der Schule ≠ Leistungsbeurteilung, sondern Endergebnis-Beurteilung

  • Das ist eine reine Schutzbehauptung.
  • Weil: Eingesetzte Arbeit wird nicht bewertet. Mit welchem Aufwand, mit welchem Einsatz wird das Ergebnis erreicht? Manche tun sich im Vorhinein leichter und bekommen gute Note. Andere investieren viel Mühe und holen viel auf, aber Ergebnis ist immer noch schlechter.
  • Viel wichtiger ist der familiäre Hintergrund (z.B. sprachliche Förderung, ermunterndes Umfeld, finanzielle Möglichkeiten) -> Bildung wird vererbt; das ist in allen Ländern so, aber in Österreich ganz besonders stark.

„Schlecht in der Schule gewesen sein“ ist heute „in“, v.a. bei erfolgreichen Menschen in Wirtschaft und Sport.

Schule sorgt für Rangreihung in der Gesellschaft, und das empfinden wir auch als völlig gerecht!

  • Ist die Schule der geeignete Ort dafür?
  • Schule soll ja auch zum kritischen Denken gegenüber der Gesellschaft erziehen.
  • Man kann nicht das Konkurrenzsystem in die Köpfe pflanzen und es gleichzeitig kritisieren.
  • Schule sollte Selektionsfunktion noch nicht übernehmen, sondern noch gleiche Voraussetzungen schaffen für den Konkurrenzkampf in der Arbeitswelt.

Wert wird geschaffen (Werbung, Image, Design,…) und von uns zugeschrieben (Wert = Preis).

  • Das empfinden wir nicht als gut, aber wir richten uns trotzdem danach!
  • z.B. „Wert“ der Lehre kann man noch so sehr betonen, aber wenn Facharbeiter mehr wert sein soll, muss man ihn besser bezahlen (als z.B. einen Uni-Professor).
  • Die Korrelation Wert-Preis ist ganz tief in uns eingepflanzt. Da hilft es auch nichts, wenn man die Tricks kennt. Sie funktionieren trotzdem.

🔥 Vom Gebrauchswert zum Tauschwert (= Marktwert, „Wert“):

  • Alle Dinge haben zwei Wertformen.
  • Gebrauchswert: Entsteht aus Nützlichkeit, unabhängig von der Verfügbarkeit der Sache, für jeden Menschen unterschiedlich hoch.
  • Tauschwert: Für die Herstellung einer Sache muss Arbeit aufgewendet werden, und Arbeit ist nur in begrenztem Maße vorhanden => begrenzte Verfügbarkeit der Sache.
    • Ist ein Effekt von Marketing.
    • Wird ausgedrückt durch den Preis.
  • Tauschwert steht bei uns unheimlich im Fokus (viel mehr als der Gebrauchswert).
    • Preis hat für uns Signalfunktion, was den Wert betrifft (was teurer ist, ist wohl mehr wert; z.B. Privatschulen, teure Weine).
    • Wir haben zwar Spielräume, und der Druck wird gemindert. Aber im großen und ganzen ist Gesellschaft sehr dominant mit Wertvorstellungen, Regeln und Normen. Und man kann sich nicht völlig dagegen stellen.
    • Aber man kann die Dinge hinterfragen und die Spielräume bewusst nutzen und (z.B. in Initiativen und Vereinen) erweitern helfen. Wenn Sie sich völlig dagegen stellen, gelten Sie bestenfalls als Querulant oder schlechtestenfalls als verrückt. Das schränkt die Möglichkeiten für Beziehungen ein.

Menschen sind „verkörperte Beziehung“.

  • Bedürfnis nach Beziehung ist uns Menschen grundgelegt. Den Menschen gibt es überhaupt erst, seit es soziale Beziehungen gibt.
  • Viele Produkte fußen auf unserem Bedürfnis nach Beziehung.
    • z.B. iPhone: Beziehung halten (Telefon, Social Media) vs. von der Beziehung ablenken (präsent sein).

Ein gutes Argument für Privatschulen ist wohl das Netzwerk, das ich da bilde (mit Kindern von Unternehmern). Lernen wird man da nicht viel mehr als sonst wo (die gleichen Lerner, der gleiche Unterricht).

Schule wird Qualität zugeschrieben, und die Schule wird dadurch dann auch wirklich besser (self-fulfilling prophecy).

  • Funktioniert auch bei Schülern: Wenn man den Lehrern sagt, dass bestimmte Schüler intelligent sind, werden sie sich auch positiver entwickeln. Positive Leistung wird verstärkt, weil sie besonders bemerkt wird. Schüler merkt Zuneigung des Lehrers, weil negative Dinge gar nicht so zur Kenntnis genommen werden. Schüler wird Freude am Lernen bekommen, weil Positives verstärkt und Negatives ignoriert wird. Somit kann der Schüler sein gesamtes Potenzial besser abrufen.
  • Und auch bei Mitarbeitern (vgl. Stefan Merath).
  • Lehrer brauchen das Vorurteil, um den Alltag zu bewältigen. Sie haben unheimlich viele Schüler!“
  • In Volksschulen gehen die self-fulfilling prophecies noch schneller: In 3 Wochen kippt die Leistung aufgrund der Vorurteile der neuen Lehrerin. Kinder lernen noch viel stärker aus Beziehungsgründen, der Lehrerin zuliebe.
  • Beziehung ist das Haupt-Werkzeug, das Sie als Lehrerin haben. Natürlich ist das Fachwissen auch bedeutsam. Aber das, was das alles trägt, ist Ihre Beziehungsfähigkeit – oder Unfähigkeit. Und das schaffen Sie nur, wenn Sie Kinder oder Jungendliche grundsätzlich mögen. Sie müssen eine gewissen Zuneigung zu den Schülern haben. Das heißt nicht, dass man alles gut findet, aber dass man sie grundsätzlich mag. Sonst ist es wirklich nicht gut, diesen Beruf zu ergreifen.“

„Ich sehe sofort den Fehler. Das ist eine Lehrerkrankheit.“

  • Österreich ist eine defizit-orientierte Gesellschaft (vgl. USA).
  • Wenn Sie die Schüler fördern wollen und ein erfolgreicher Lehrer sein möchten, müssen Sie bei den positiven Besonderheiten der Schüler ansetzen.
  • Schüler provozieren, führen auf’s Glatteis, sind aggressiv – auch wenn man selbst lieb ist. Dadurch ist es nicht leicht, aber es ist die einzige Methode, um den Schüler überhaupt zu verändern.

Wert der (Aus-)Bildung:

  • Tauschwert:
    • Wie viel wird man mit bestimmter Ausbildung verdienen („Bildungserträge“)?
    • Wie hoch ist das Arbeitslosigkeitsrisiko?
    • Wie ist das gesellschaftliche Prestige?
  • Gebrauchswert:
    • Fähigkeit zur autonomen Gestaltung des eigenen Lebens -> Selbstbewusstsein (auch Selbstwert?!)
    • Fähigkeit zur Teilhabe an der Gestaltung der Gesellschaft -> politische Mündigkeit
    • Sich selbst besser kennenlernen: Das, was man lernt, mit sich selbst in Bezug setzen. „Um mit anderen in Beziehung treten zu können, muss man sich selbst kennen und mit sich Frieden schließen.“ Da hilft längere Dauer der Ausbildung.
    • Titel hat Wert, z.B. im Krankenhaus.
  • Tauschwert => Korreliert mit Anpassung: man nimmt die Regeln in Kauf.
  • Gebrauchswert => Korreliert mit Emanzipation: Nicht in Abhängigkeit stehen, sondern der Macht als autonomes Wesen gegenüber stehen.
  • Stehen zueinander in Widerspruch!! -> „Es ist ein Balanceakt.“

🔥 Würde vs. Wert

  • Wert -> Tauschwert: Fakten, Zahlen, Bewertung, Quantifizierung, Recht auf Verwertung -> Ausbildung
  • Würde -> Ausdruck der einzigartigen Seinsbestimmung des Menschen. Würde ist nicht verhandelbar, ist von vorhinein gegeben. Steht dem Menschen prinzipiell zu, nur deshalb, weil er Mensch ist. -> Bildung
  • „Die persönliche Würde löst sich im Tauschwert völlig auf.“ (Marx/Engels)
  • Der Bildungsbürger ist inzwischen völlig verschwunden (vgl. Buch von Ribolits).

Widersprüchliche Menschenbilder

  • Wert-orientiert:
    • neoliberale (Bildungs-) Politik
    • Menschen sind unterschiedlich wertvoll für die Gesellschaft
    • „modern“
  • Würde-orientiert:
    • subjekt-orientierte Pädagogik
    • Der Mensch ist ein besonderes Wesen. Er hat die Fähigkeit, sich selbst die Freiheit zu nehmen.
    • „etwas antiquiert“

Humanressource und Humankapital

  • Humanressourcen: Mensch selbst wird zur Ware („Menschenmaterial“), unveredelt.
  • Humankapital: Kapital ist Geld, das mit dem Gedanken der Verzinsung investiert wird. Mensch wird veredelt, zur Verwertung zugerichtet (Ausbildung, Weiterbildung, Erfahrung) und damit wert-voll.

3. Einheit – 29. März 2014

Nicht-Teilnahme am gesellschaftlichen Wettbewerb führt zu Ausschluss.

  • Man wird ev. angefeindet
  • Man wird als gescheitert betrachtet („Schaffst du es nicht?“)
  • „Bist du gestört?“
  • Widerstand wird sich nach innen richten, aber die meisten werden (skeptisch) mitspielen.
  • Man muss sich das auch „leisten“ können: Kinder, Familie, Haus, …

Ribolits empfiehlt Jeremy Rifkin.

Es macht das Leben schwerer, gebildet zu sein.

  • Bildung führt zu mehr Reflexion.
  • Man erkennt Widersprüche, „spürt den Schmerz“.
  • Aber man weiß keine Lösung.

Ist es wirklich gerecht, wenn alle (Kinder) gleich behandelt werden?

Chancengleichheit in Zusammenhang mit Bildung ist in Österreich nicht gegeben!

  • Vererbung von Bildung ist in Österreich besonders hoch.
  • Es macht immer noch einen Unterschied, ob man als Bub oder als Mädchen aufwächst.
  • Heißt nicht, dass das immer 100% wahr ist – manche schaffen es trotzdem (v.a. in Geisteswissenschaften; Lehrer ist ein typischer Aufsteigerjob für sozial weniger Begünstigte bzw. ein Absteigerjob für Menschen aus guten sozialen Lagen – aber immer noch okay.)

Dieser Zusammenhang besteht in ALLEN Ländern, aber es gibt Unterschied in der Stärke des Zusammenhangs; Ö ist eines der Länder mit der engsten Verknüpfung (auch DE; in Skandinavien wesentlich geringer).

Chancengleichheit ist KEINE kommunistische Forderung.

  • Wer Chancengleichheit fordert, der akzeptiert/fördert Gesellschaft der Ungleichheit – „das ist ja das Absurde!“
  • Nur der Kampf darum soll von der gleichen Linie aus gestartet werden.
  • Dass nicht alle nach oben kommen, ist aber akzeptiert – und das wollen wir auch so! Wir wollen nur, dass der Kampf mit fairen Mitteln ausgetragen wird.
  • Chancengleichheit ist eine zutiefst bürgerliche Forderung.
  • ABER: Chancengleichheit wäre immerhin schon mal ein Fortschritt (innerhalb der gegebenen Situation).

Weiterbildung ist weitgehend schulisch geprägt.

  • Lehrpersonen, Habitus, Strukturen, …
  • Es gibt kaum Weiterbildung, die wirklich Erwachsenen-gerecht sind – auch kaum Überlegungen dazu.
  • Berücksichtigung von Erfahrungen, schlechte Erfahrungen in der Schulbildung.
  • Daher gehen diese Menschen nur in Weiterbildung, wenn es unbedingt sein muss!
  • vgl. Berücksichtigung der Biographie
  • Dadurch kommt es zu einer weiteren Benachteiligung von sozial Schwachen: Wer in der Schule schon keine guten Erfahrungen gemacht hat, der wird Weiterbildung meiden – und dessen Employabilty sinkt dann weiter…

„Es hält sich in Ö hartnäckig der Mythos, es gäbe eine handwerkliche Begabung und eine geistige Begabung.“

  • Eltern halten schon sehr früh danach Ausschau.
  • Weil auch die Entscheidung zur weiteren schulischen Bildung schon sehr früh gefällt wird
    • handwerklich = Hauptschule/Mittelschule
    • zwei linke Hände = muss studieren
  • „Je sozial schwächer, desto eher glaubt diese Gruppe an die Begabungsideologie.“
    • „Am Land glaubt man das noch ganz stark.“

3. Einheit – 29. November 2014 – Ergänzungen

Derzeit ist eine Zeit des großen Umbruchs.

  • „Ich als 66-jähriger Mann sehe das kritisch.“ – Ist aber auch in einer anderen Zeit aufgewachsen!
  • Es wird nicht besser oder schlechter, es ändert sich einfach. Für manche wird sich das positiv, für manche negativ auswirken.
  • Bewertung gut/schlecht ist immer ein Standpunkt, für jeden ein klein wenig anders.
  • Ich muss für mich herausfinden, ob der Umbruch gut oder schlecht ist für mich, ihn vorantreiben oder verzögern möchte.

🔥 Der klassische gebildete Mensch ist jemand, der sich auskennt, der sich auch empört… aber der sich nicht politisch engagiert.

  • Bildung lebt von der Reflexion… „aber dann is aus!“
  • Es folgt keine Aktion. Der eigentlich logische nächste Schritt bleibt aus.
  • Der klassische Bildungsbürger ist nicht politisch aktiv. Er beteiligt sich an einer Unterschriftenaktion oder nimmt an einer Lichterkette teil. Aber der Aufstand bleibt aus.
  • Aktiv zu werden gehört zum Konzept des klassischen Bildungsbegriffs gar nicht dazu.
  • Auch die Lehrer: „Sie regen sich auf… aber tun tun sie gar nix!“
  • In welche Richtung sollen wir auch eine Veränderung erkämpfen? -> So viel wissen, dass man gar nicht mehr weiß, wo man mit dem Verändern anfangen soll. Insofern ist der Bildungsbegriff sogar hinderlich!
  • Wenn man allein alles zu Herzen nimmt, was in einer Woche in den Fernsehnachrichten sieht, müsste man ja narrsich werden. Aber wir schauen uns dass an und gehen dann Abendessen. Das muss man erst mal zusammenbringen!
  • Wir haben gelernt, auf der reflexiven Ebene zu bleiben und den Impuls zu handeln zu unterdrücken. Das ist Bildung.
  • Man hat das Gefühl, das Problem ist viel zu komplex und dass man eigentlich das ganze System ändern müsste. Und das Gefühl, das man im Kleinen anfangen könnte, fehlt auch.

AMS-Kurse erhöhen die Chancen für EINZELNE Menschen und helfen die INDIVIDUELLE Lebenssituation zu verbessern – aber sie ändern überhaupt nichts am Gesamtsystem.

  • AMS „demokratisiert das Arbeitslosenrisiko“ – Alle sollen das selbe Risiko haben, arbeitslos zu werden.

Bildung und soziale Gerechtigkeit sind abhängig von:

  • Finanzielle Faktoren: Reiche Eltern können ihre Kinder einfach mehr fördern
  • ethnischer Herkunft (Stichwort: Migrationshintergrund)
  • Geschlecht
  • Regionale Faktoren: Welche Schulen gibt es denn in der Nähe?

„Bildungsferne“ Menschen sind weniger engagiert in Weiterbildung, weil…

  • sie sich Weiterbildung meistens selbst zahlen müssen. Je weiter unten man ist, desto weniger wird in Weiterbildung investiert.
  • je weniger man verdient, desto weniger kann man Weiterbildung steuerlich abschreiben.
  • schlechte Schulerfahrungen machen auch keine Lust auf Weiterbildung.

Eine Gesamtschule würde nicht die soziale Differenzierung aufheben. Privilegiertere Kinder hätten trotzdem mehr Chancen. Aber es würde die Ungerechtigkeit zumindest gemindert.


4. Einheit, 6. Dezember 2014

Wir stehen gerade am Beginn eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbruchs.

  • Autoren: Deleuze, Foucault, Gorz, Bröckling -> alle empfehlenswert.
  • Pädagogen beschäftigen sich erst seit Kurzem damit.

Epochenbruch = massiver Umbruch

  • Weder gut noch schlecht, nur anders.

Nachhaltiger Wandel in der Selbstwahrnehmung der Individuum

  • Bild von dem, was möglich (!) ist, ändert sich: Ich kann was ändern! (Lernen, Selbsterfahrung, Mußezeiten)
    • z.B.: Wer Work-Life-Balance heraußen hat, ist erfolgreich.
  • Disziplinargesellschaft -> Kontrollgesellschaft
  • Verhältnis, sich als Arbeitskraft zu verkaufen, verändert sich auch massiv
  • Ursache = IKT

Auswirkungen:

  • Bewusstsein permanenter unterschwelliger Kontrolle
    • So werden Menschen zu „Normverhalten“ gebracht.
    • Vieles davon passiert ganz automatisch und freiwillig (vgl. Google).
    • Wir bezahlen Google nicht mit Geld, sondern mit unserer Persönlichkeit: Wir müssen Daten von uns preisgeben! (vgl. gezielte Werbung für das, was wir suchen).
    • Es wird ein sehr genaues Profil von uns erfasst. Dabei geht es nicht darum, ob man ein Kommunist, schwul oder hetero ist. Interessant ist die ökonomische Verwertbarkeit, immer mit der Frage im Hintergrund „Wie kann man mit dir Geschäft machen?“
    • Sowohl Arbeitskraft als auch Konsument soll berechenbar sein.
  • Unternehmerische Persönlichkeit
  • Geld geben, damit die Leute konsumieren können.

Das Ganze hat erst in den 1970ern begonnen (mit den IKT); erst in den letzten 10 Jahren ist das zu einem „Problem“ (?) geworden.

Privatsphäre ist ein gesellschaftliches Phänomen der Moderne. Das war nicht immer so!

Wenn das Bargeld abgeschafft wird, ist auch kein Betrug mehr möglich. Man kann keine Steuer hinterziehen, wenn es kein Bargeld gibt.

  • Das ist positiv (große Steuerhinterzieher) und negativ (es nimmt die letzte Freiheit, geheim zu halten, was man mit seinem Geld macht).

„Irgendwann wird man das Gefühl haben, es is eh wurscht.“

In dem Moment, wo mir bewusst ist, dass alles über mich nachvollziehbar und bekannt ist, werde ich mich so benehmen, wie ich glaube, dass es „gut“ ist.

  • In der Disziplinargesellschaft war das anders.

Wer etwas tun will, von dem andere nichts erfahren sollten, soll es besser gleich bleiben lassen. (Eric Schmidt) => Grundgedanke der Kontrollgesellschaft

Natürlich ist das zu bewältigen. Aber es führt zu einem anderen Lebensstil. Man geht anders miteinander um.

Auswirkungen auf Arbeitswelt:

  • 🔥 Mensch ist nur noch für wirklich kreative Aufgaben nötig. Dort, wo es menschelt, da kann der Mensch nicht ersetzt werden (vgl. Beratung, Lehre) = „fallbasierte Tätigkeiten“
  • Arbeitslosigkeit wird immer weiter ansteigen, weil die IKT mehr Arbeitskräfte einspart als sie Jobs schafft.

Die Schule muss diese Kompetenzen vermitteln, nicht mehr reine Wissensvermittlung.

  • Schule heute ist noch Kind der Disziplinargesellschaft – und wurde auch zu diesem Zweck eingerichtet. Wie lange wird es Schule in dieser Form noch geben?
  • Deswegen wird der Beruf des Lehrers nicht aussterben. Es wird immer Menschen brauchen, die andere anleiten.
  • Soziales Lernen, Gruppenarbeiten, eigenes Lernportfolio sind schon Schritte in diese Richtung.
  • Neue Diskriminierungslinie = Soziales Verhalten:
    • Lernen Kinder in der Familie Konfliktlösung, Gesprächskultur, kreativen Ausdruck, Zusammenarbeiten, selbständig werden?
    • Wo lernt man das in der Schule? In welchem Gegenstand kommt das vor? -> Gegenstands-Orientierung, Stunden-Takt, Vereinzelung der Schüler… alles das ist in Frage gestellt!
  • Lehrer nur mehr als Lernbegleiter, Moderator?

Veränderungen in der Arbeitswelt

  • Wissensarbeiter, Kreative kann man nicht mehr kontrollieren!
  • Identifikation mit der Arbeit steigt, Tätigkeit ist erfüllend und Sinn-voll -> man würde es auch machen, wenn man kein Geld dafür bekäme.
  • Auflösung von Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Unterscheidung -> Wir sind alle eine große Familie.
  • 🔥 Der Sinn davon, dass Top-Manager Aktienanteile bekommen, ist ja, dass die Top-Manager selbst in die Rolle der Aktionäre schlüpfen und in deren Interesse handeln – und sich nicht mit anderen Arbeitnehmern solidarisieren.
  • Ich-AG: Arbeitslose animieren, selbständig zu werden.
    • Generelle Tendenz: Aus Arbeitnehmern müssen Selbstunternehmer werden!
    • „Wir müssen den Leuten endlich das marktwirtschaftliche Denken in die Köpfen pflanzen.“ (Claus Raidl)
  • Überall liest man, dass man sich in Österreich nichts traut und das es deswegen zu wenige Unternehmer in Österreich gibt → Idealisieren des Unternehmertums in allen Bereichen.

Sie werden das bewältigen. Sie werden Ihren Platz finden. Sie sind auch die, die am wenigsten bedroht sind. Sie können sich auch besser positionieren.“ Aber Lehrer sitzen an einer Schaltstelle. Sie sollten das vermitteln, was in Zukunft verlangt wird. Sie sollten die Entwicklung beeinflussen.

Die große Revolution wird nicht kommen. Aber in gesellschaftlichen Umbruchsituationen gibt es Windows of Opportunity, wo Beeinflussungen möglich sind.



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