Meine Notizen
Wichtig vorab: Dieses Buch ist eine groĂartige Analyse des Spannungsfeldes von Gabenökonomie vs. Marktwirtschaft, von Gaben vs. Waren. Aber es kommt zu keiner Lösung. Der aufgezeigte „dritte Weg“ bleibt eine Skizze.
Marktwirtschaft vs. Gabenökonomie
- âDie Grundannahme dieses Buches lautet, dass Kunstwerke keine Waren, sondern Gaben sind und daher, um es fĂŒr die modernen VerhĂ€ltnisse zu prĂ€zisieren, gleichzeitig in zwei Welten existieren, in der Marktwirtschaft und in der Gabenökonomie. Wesentlich ist jedoch nur die zweite: Zwar könnte ein Kunstwerk ohne den Markt bestehen, aber ohne Gabe keine Kunst.â (S. 13f)
- âIch will damit nicht behaupten, dass man mit Kunst nicht handeln darf. Mir geht es lediglich darum, dass das in einem Werk mitgegebene Geschenk unserem Verhalten ihm gegenĂŒber Grenzen setzt.â (S. 15)
- Das Grundproblem ist, âdass jeder moderne KĂŒnstler, der sich entschieden hat, seiner Gabe zu dienen, frĂŒher oder spĂ€ter auf die Frage stoĂen muss, wie er in einer Marktwirtschaft ĂŒberleben will.â (S. 16)
- Die Gabenökonomie ist eine âĂkonomie des schöpferischen Geistesâ. (S. 20)
- âGabentausch ist kein Handel.â (S. 38)
âInneres Geschenkâ
- Wir sprechen von âTalentenâ als âGabenâ. (S. 14)
- âZu Recht bezeichnen wir auch die Intuition oder Inspiration als eine Gabe.â (S. 14)
- Auch eine Idee ist eine Gabe.
- Geschenke, die (scheinbar) von Innen kommen. Geschenke, die âwir als Gegenstand unserer Arbeit annehmenâ. (S. 20)
âĂuĂeres Geschenkâ
- ein Werk = âKunst, die uns etwas bedeutetâ (S. 14)
- âSolche Kunst empfinden wir als Geschenk.â (S. 14)
- âWenn Kunst uns berĂŒhrt, sind wir dankbar dafĂŒr, dass der KĂŒnstler gelebt und im Dienste seiner Gaben gearbeitet hat.â (S. 15)
- Geschenk, das von auĂen kommt, das âals Kulturgut in Erscheinung trittâ. (S. 20)
Was wir bekommen, sollten wir auch weitergeben
- Haupteigenschaft eines Geschenkes: âWas wir bekommen, sollten wir auch weitergeben und nicht fĂŒr uns behalten. Wenn wir es aber schon behalten, sollten wir etwas Gleichwertiges in Umlauf bringen.â (S. 26)
- âDas Geschenk muss stets im Umlauf bleiben.â (S. 26)
- âIm VolksmĂ€rchen erleidet derjenige, der eine Gabe festzuhalten versucht, gewöhnlich den Tod.â (S. 27)
- Das ist auch das Prinzip von âSell your wisdom and buy bewildermentâ: Da geht es auch um den Fluss, der bestehen bleiben soll. Sell AND buy.
Besitzen bedeutet auch Geben
- âVom Besitzer einer Gabe wird selbstverstĂ€ndlich erwartet, dass er sie mit anderen teilt, weitergibt, ihr TreuhĂ€nder und Verwalter ist.â (S. 38)
- âEine Gabe wird also erst im Weiterreichen ganz realisiert. Wer keine Dankbarkeit kennt oder sich weigert, MĂŒhe dafĂŒr aufzuwenden, setzt weder seine Gaben frei, noch macht er sie sich wirklich zu eigen.â (S. 79f)
Geschenk gebrauchen â es aufbrauchen
- âDas Geschenk zu gebrauchen heiĂt keineswegs, es aufzubrauchen, sondern eher im Gegenteil: Bleibt die Gabe ungenutzt, so geht sie verloren.â (S. 45)
Die Gabe sucht die Leere
- âWenn die Ware nach dem Gewinn geht, wonach geht dann die Gabe? Bei ihrem Umlauf wendet sie sich demjenigen zu, der bisher am lĂ€ngsten leer ausging.â (S. 49)
- Dieser ist âder NĂ€chsteâ des NT! Der NĂ€chste im Fluss/Kreislauf.
Kunstwerke sind auch Geschenke
- âDer begabte KĂŒnstler ĂŒbertrĂ€gt die Lebendigkeit seiner Gabe auf das Werk und macht sie auf diese Weise fĂŒr andere verfĂŒgbar.â (S. 51)
- Ein inneres Geschenk wird auf ein Kunstwerk ĂŒbertragen, das damit zu einem Ă€uĂeren Geschenk fĂŒr andere wird.
- âUnd jeder KĂŒnstler, dessen Werk uns berĂŒhrt, verdient unsere Dankbarkeit.â (S. 76)
Der Zuwachs ist die Seele des Geschenks
- âDer Zuwachs ist die Seele und der Kern des Geschenks.â (S. 64)
- âKapital wirft Gewinn ab, ebenso Handel, aber Geschenke, die Geschenke bleiben, bringen keinen Gewinn, sondern einen Zuwachs. Der Unterschied liegt im Vektorcharakter des Letzteren: Beim Gabentausch bleibt der Zuwachs im Fuss, folgt dem Objekt; beim Warentausch dagegen erstarrt er als Gewinn.â (S. 65)
- vgl. BWL: Gewinn, der reinvestiert wird, ist eher Zuwachs. Gewinn, der entnommen wird (z.B. als Dividende), erstarrt.
- âDer beim Gabentausch eintretende Zuwachs muss Geschenk bleiben und darf nicht wie eine Rendite auf privates Kapital einbehalten werden.â (S. 65)
Drei Formen des Gabenzuwachses (S. 66)
- natĂŒrlich (bei Lebewesen); z.B. auch Zuwachs an Wissen, Kompetenz etc, sofern diese im Fluss bleiben
- natĂŒrlich-spirituell (bei TrĂ€gern eines Geistes, der die Konsumtion seiner einzelnen Verkörperungen ĂŒberlebt); vgl. Unendliche Spiele, die unabhĂ€ngig von ihren Spielern weiterleben
- sozial (bei einem Umlauf, in dem aus individuellem Wohlwollen eine Gemeinsamkeit hervorgeht); vgl. Community Building
Lehren, die verÀndernde Gaben sind
- Der EmpfĂ€nger spĂŒrt âDankbarkeit, wenn die Lehre zu âgreifenâ beginnt.â (S. 76)
- âDankbarkeit empfinden wir in der Zeit zwischen Empfang und Weitergabe des Geschenks.â (S. 76)
- âUnd gerade solche Geschenke, die VerĂ€nderungen mit sich bringen, mĂŒssen erst in uns wirken, uns ihnen ebenbĂŒrtig machen, bevor wir sie weiterreichen können.â (S. 76)
- Wow. Das ist profund!
- Das macht den echten Experten aus. Er ist dem Thema ebenbĂŒrtig, kein Wannabe!
- âDurch die Weitergabe des Geschenks schlieĂen wir die MĂŒhen in einem Akt der Dankbarkeit ab.â (S. 76)
- Wenn ich eine Gabe empfange, die mein Leben verĂ€ndert (z.B. durch âLehreâ), dann muss ich mich zuerst damit auseinandersetzen, mich ihr ebenbĂŒrtig machen – und dann muss (!) ich dieses Geschenk weitergeben, indem ich es (in irgend einer Form) lehre. Nur dann werde ich diesem Geschenk gerecht, nur dann halte ich es am Leben, nur dann befreie ich mich aus der Schuld der Dankbarkeit.
- vgl. âSell your wisdom and buy bewildermentâ: Ich gebe meine Weisheit weiter, um dann bereit zu sein fĂŒr eine neue mich verĂ€ndernde Gabe. Das ist die Essenz, die Rumi meint, in anderen Worten ausgedrĂŒckt.
Sobald sich eine Gabe in uns regt
- âSobald sich eine Gabe in uns regt, sind wir aufgerufen, sie zu entwickeln. Beim Heranreifen eines Talents findet ein beiderseitiges Ringen statt. Die Gabe setzt ihre Energie frei, solange wir ihr dafĂŒr aufwarten.â (S. 79)
MĂŒhe vs. Arbeit
- MĂŒhe: âEin Gedicht schreiben, ein Kind erziehen, einen neuartigen KalkĂŒl entwickeln, eine Neurose auflösen, Erfindungen aller Art – das sind MĂŒhen.â (S. 80)
- Arbeit: âArbeit ist eine absichtsvolle, willentlich ausgefĂŒhrte TĂ€tigkeit. Eine MĂŒhe kann absichtsvoll sein, jedoch nur im GrundsĂ€tzlichen oder in dem Entschluss, nichts zu tun, was ihr eindeutig zuwiderlaufen wĂŒrde.â (S. 80)
- vgl. Beziehungsprojekte (MĂŒhen) vs. Ergebnisprojekte (Arbeit)
Karl Marx: Tauschwert, Gebrauchswert
- Marx, Das Kapital, S. 50
- âworthâ = Gebrauchswert; âvalueâ = Tauschwert (S. 92)
Eine Gabe enthĂ€lt keine Verpflichtungen fĂŒr den EmpfĂ€nger!
- âWenn der Geber oder der EmpfĂ€nger das Verpflichtende einer Gabe hervorzuheben anfĂ€ngt, hört sie auf, eine Gabe zu sein.â (S. 104)
- âMit Menschen, die uns falsche Geschenke machen, können wir uns nicht wirklich verbunden fĂŒhlen. Und echte Geschenke verpflichten uns nur, wenn wir sie nicht weitergeben – das heiĂt, wenn wir sie nicht mit einem Akt oder Ausdruck der Dankbarkeit erwidern.â (S. 80)
AbhÀngigkeit von den Lehrern
- âDie AbhĂ€ngigkeit von unseren Gaben (und den Lehrern, die sie weckten) verringert sich mit wachsender FĂ€higkeit, sie weiterzugeben.â (S. 104)
Man muss Gaben auch zurĂŒckweisen
- âGerade wegen der verbindenden Kraft der Gaben muss man sie vielfach zurĂŒckweisen.â (S. 105)
- âGeschenke, selbst in der besten Absicht gemacht, trĂŒben das Urteilsvermögen.â (S. 105)
- Das ist das GrundĂŒbel der Korruption, weshalb auch kleine Geschenke und âAufmerksamkeitenâ problematisch sein können.
- âAuch Geschenke von bösen Menschen gilt es zurĂŒckzuweisen, um uns nicht an das Böse zu binden.â (S. 107)
- vgl. Marianne Gronemeyer: Wozu reichst du die Hand?
Gabenökonomie und Individualismus
- âGabenökonomien lassen eine eigene Form von Individualismus zu [âŠ]. […] In Gabenökonomien wohnt der Individualismus dem Recht inne, wann und wie man etwas verschenkt.â (S. 115)
Learn how to be helpful
- Hilfreich zu sein, ist im Grunde nichts anderes als das âVermögen des Einzelnen, seine Ideen als Gaben in den Dienst des Gruppengeistes zu stellen und darĂŒber an diesem teilzuhaben.â (S. 119)
Ideen sind keine Waren
- âIdeen können kaum frei zirkulieren, wenn man sie als Waren behandelt. […] Auf einem freien Markt sind die Menschen frei, die Ideen dagegen abgeschottet.â (S. 119)
- Daher auch Seth Godins Meinung, das Copyright zu beschrÀnken. Siehe auch weiter unten.
Intellektueller Gedankenaustausch ist âkĂŒhl“
- âDem intellektuellen Gedankenaustausch [ist] eine gewisse âKĂŒhleâ eigen. […] Fachartikel können kaum die emotionale Unmittelbarkeit persönlicher Geschenke ausstrahlen.â (S. 120)
- Da haben Blogs, Videos, Podcasts etc. einen gewissen Vorteil. Sie schaffen mehr emotionale WÀrme und sind deswegen Geschenk-Àhnlicher, weil sie persönlicher sind.
Die Ăkonomie des Gabentausches eignet sich nur fĂŒr kleine Gruppen
- âAn diesem Punkt sollte ich eindeutig klarstellen, dass sich die Ăkonomie des Gabentausches nur fĂŒr kleinere Gruppen eignet. […] Die obere Grenze dĂŒrfte bei etwa tausend liegen, mehr können Menschen emotional kaum bewĂ€ltigen.â (S. 127)
- vgl. 1000 true fans von Kevin Kelly
- âAusnahmen bilden Gemeinschaften wie jede der Forschung, die durch sehr spezifische gemeinsame Interessen definiert sind. Gruppen, die keine weitergehenden sozialen AnsprĂŒche stellen – wie ihre Mitglieder zu versorgen, gesundheitlich zu betreuen, zu verheiraten und so fort – können ziemlich groĂ sein und doch durch Gabentausch zusammenhalten.â (S. 127)
- vgl. Communities of Practice, GILDE, Tribes etc.
- Btw. Deswegen ist ein âtribeâ eben kein Stamm im ursprĂŒnglichen Sinn.
Weibliche vs. mÀnnliche Berufe
- Weibliche Berufe (Kinderbetreuung, Sozialarbeit, Krankenpflege, Schaffen und Bewahren von Kultur, Seelsorge und Lehre) enthalten âgröĂere Beimischungen der GabenmĂŒhe als die eindeutig mĂ€nnlichen wie Bankier, Jurist, Manager, VerkĂ€ufer und so fort.â (S. 148f)
- Zum Lehrer: Den Beruf âĂŒben zwar auch MĂ€nner aus, aber, wie der frĂŒhere US-VizeprĂ€sident Spiro Agnew betonte, in der Regel verweichlichte.â (S. 149)
- Die Unterscheidung zwischen „mĂ€nnlichen“ und „weiblichen“ Berufen scheint im Jahr 2023 reichlich antiquiert. Vielleicht ist aber auch nur die Ăbersetzung schlecht. Denn dass es maskulinere und femininere Berufe gibt, darĂŒber lieĂe sich auch heute noch diskutieren.
???? Vermarktung ist ausgeschlossen – vgl. Edupreneure
- âDa die Produkte der âweiblichenâ, auf das Soziale und die Seele bezogenen Arbeit keine Waren, keine in Preisen bemessbaren oder willentlich entfremdeten Dinge sind, kann diese nicht auf einer reinen Kosten-Nutzen-Basis erfolgen. AuĂerdem verzichten jene, die sich derlei MĂŒhen unterziehen, indem sie ihrer Berufung folgen, auch automatisch auf die Möglichkeit, âsich zu verkaufenâ. Die MĂŒhe der Hingabe erfordert ein emotionales oder geistiges Engagement, das seine eigene Vermarktung ausschlieĂt.â (S. 149)
- âBestimmte TĂ€tigkeiten sind mit einer solchen kĂ€mpferischen Einstellung gar nicht vereinbar. […] Schon die geringste MĂŒhe im Sinne der Hingabe bedeutet Entfremdung vom Markt, verminderte Gewinnorientierung und stĂ€rkere Betonung des âweiblichenâ Anteils.â (S. 149)
- Wow!
- âKosten und Nutzen von TĂ€tigkeiten, bei denen es um gegensĂ€tzliche Verfahren und leicht quantifizierbare Resultate geht, lassen sich mit Hilfe des Marktsystems genau ausdrĂŒcken, nicht jedoch die der fĂŒr Gaben aufgewandten MĂŒhe. Die Speisekammer des Pfarrers wird immer mit Gaben gefĂŒllt sein, doch KĂŒnstler werden nie gut âverdienenâ.â (S. 150)
- Wie kann sich der Pfarrer oder der KĂŒnstler also ein ârich lifeâ (Ramit Sethi) schaffen, das weitgehend unabhĂ€ngig von Materiellem ist, weil sie eben nie gut verdienen werden, wenn sie ihrer Berufung folgen? Wie können sie von ihren Gaben leben, ohne hungern zu mĂŒssen?
- Daraus ergibt sich der berechtigte âAnspruch, bestimmte Teile unseres sozialen, kulturellen und geistigen Lebens vom Markt fernzuhalten. Wir dĂŒrfen nicht alle GabenmĂŒhen in Marktarbeit umwandeln, denn sonst kommt der Tag des grenzenlosen Marktes.â (S. 150)
- Das wÀre das Ende von Kunst und Kultur, wie wir sie (noch) kennen.
- Wir mĂŒssen daher Gaben âtatsĂ€chlich als Gaben [..] behandeln, anstatt bloĂ auszubeutenâ. (S. 151)
- Interessanter Zusammenhang: Der Niedergang des Glaubens im 19. Jahrhundert fiel mit dem âbemerkenswerten Erfolg eines sekulĂ€ren, merkantilen Unternehmergeistes zusammenâ. (S. 151) SpiritualitĂ€t ist âweiblichâ und entzieht sich der Marktlogik, deswegen ist das, was am Markt gut funktioniert, notwendigerweise arm an Geist, Glauben und Sinn!
- Btw: âJesus grenzt stĂ€ndig den Markt vom Himmelreich ab.â (S. 161)
Gabe vs. Waren
- âWie gesehen, gibt es zwei Grundformen des Eigentums, Gaben und Waren. Beide treten nie in Reinform auf, sondern bedĂŒrfen immer zumindest einer Beimischung des anderen [âŠ]. Doch gewöhnlich dominiert eine von beiden.â (S. 188f)
Das BedĂŒrfnis, zu geben
- âNachdem er angenommen hat, was ihm gegeben wurde – sei es als Inspiration oder als Talent -, fĂŒhlt sich der KĂŒnstler oft gezwungen, verspĂŒrt er ein BedĂŒrfnis, das Werk zu schaffen und einem Publikum anzubieten. Die Gabe muss in Bewegung bleiben.â (S. 196)
- May Sarton: âDie nach innen gerichtete, also nicht weitergebbare Gabe wird zu einer schweren inneren Last, manchmal sogar zu einer Art Gift. Es ist, als staute sich der Strom des Lebens.â (S. 196)
- vgl. Buch-Notizen: Ich muss zuerst mal meine Notizen âfreigebenâ (releasen), damit ich neue Energie und neuen Fluss in diesen Gedanken verspĂŒre. Deswegen ist dieses Teilen auch so beglĂŒckend.
An wen richtet der KĂŒnstler sein Werk?
- Walt Whitmans Motto: âSchaffe das Werk!â. Es geht darum, der Seele Ausdruck zu verleihen. Das Werk ist insofern Selbstzweck.
- Ezra Pound: Die âTraditionâ ist die Quelle und letzten Endes auch das Ziel der Gaben. Er trĂ€gt zum unendlichen Spiel bei, um âdiese Tradition immer wieder neu entdeckenâ zu können. (S. 197)
Wir nÀhren den Geist
- âWir nĂ€hren den Geist, indem wir unsere Gaben verschenken, nicht indem wir Kapital daraus schlagen (nicht âzu vielâ, meint [der Dichter Gary] Snyder – da scheint etwas Spielraum zu sein).â (S. 200)
Einem Publikum weitergeben
- âSobald eine innere Gabe realisiert ist, kann man sie weitergeben, einem Publikum mitteilen, und manchmal reproduziert die verkörperte Gabe – das Werk – den Zustand der Gnade auch in diesem.â (S. 202)
Die Denkweise, die Gaben zerstört
- âZĂ€hlen, messen, Werte berechnen oder die Ursache der Dinge ergrĂŒnden wollen bedeutet, den Kreislauf zu verlassen, nicht mehr âaus einem Guss zu seinâ mit dem Strom der Gaben und stattdessen als ein Teil des Ganzen ĂŒber andere Teile nachzudenken.â (S. 203)
- = Management!
Spannung Gabentausch â Markt
- âAlle Kulturen und alle KĂŒnstler spĂŒren die Spannung zwischen Gabentausch und Markt, zwischen Selbstvergessenheit der Kunst und der Selbstverherrlichung des Kaufmanns, und schon vor Aristoteles hat man ĂŒber die Frage diskutiert, wie sich diese Spannung auflösen lĂ€sst.â (S. 210)
- Es ist eine Spannung. Wir agieren in Spannungsfeldern.
- âEinige Aspekte des Problems sind jedoch eindeutig modern.â (S. 211)
vgl. Theory U
- âDie Vollendung eines Kunstwerks gliedert sich in mindestens zwei Phasen, eine ziellose und eine zielstrebige. Am Anfang steht das Ziellose. Nur im Zustand der Entspannung lassen wir uns wirklich von Ereignissen, Intuitionen und Bildern bewegen oder gar einschĂŒchtern.â (S. 290)
- âWenn das Material schlieĂlich erscheint, so gewöhnlich diffus, vielleicht persönlich faszinierend, jedoch fĂŒr Dritte kaum zu gebrauchen – jedenfalls nicht als Kunstwerk. Zwar gibt es Annahmen, aber die ersten Formulierungen sind selten befriedigend [âŠ].â (S. 290)
- âWie ein Autor um Worte ringt, so ringt die Phantasie um die klare Artikulation ihres Empfindens.â (S. 290)
Etwas Empfundenes findet seine eigene Form. (Jack Kerouac, S. 290)
- Das gilt auch fĂŒr die Lehre. Wenn etwas stark empfunden wird, findet es auch einen Weg nach auĂen.
- vgl. Von einem guten Baum können keine schlechten FrĂŒchte kommen.
Wille vs. Willensrichtung
- âUm Ezra Pound gerecht zu werden, sollte ich hinzufĂŒgen, dass zwar alle seine Helden MĂ€nner mit einem ausgeprĂ€gten Willen sind, er aber groĂen Wert darauf legt, zwischen gutem und bösem Willen zu unterscheiden. Wenn er hervorhebt, âJe gröĂer der KĂŒnstler, desto bestĂ€ndiger sein Werk, und das ist eine Sache des WILLENSâ, so nicht ohne den Zusatz: âund es ist auch eine Sache der WILLENSRICHTUNGâ. Der gute Wille richte uns auf, der böse ziehe uns nieder.â (S. 298)
- vgl. Anders Breivig: Sein Wille war stark, und von da her war er ein vorbildlicher Personal Project Manager. Aber man kann den Willen eben nicht von der Willensrichtung unabhÀngig sehen.
BloĂe Produkte des guten Willens
- âManchmal ist jeder Wille, ungeachtet seiner Richtung, böser Wille. Wo nĂ€mlich der Wille dominiert, da findet die Grazie keine LĂŒcke, um einzutreten.â (S. 298)
- âWenn ihm die Empathie am Herzen liegt, die uns fĂŒr Dinge jenseits des Selbst empfĂ€nglich macht, dĂŒrfte er auch nicht erstreben, sie durch den Willen zu ersetzen, wenn ihre Kraft erschöpft ist.â (S. 298)
- Empathie lĂ€sst sich nicht mit gutem Willen ersetzen; vgl. âbemĂŒht“.
- Das sind dann nĂ€mlich âbloĂe Produkte des guten Willensâ (S. 299)
- BoĂer guter Wille nimmt dem Werk jede Lebendigkeit; vgl. gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.
Was Ezra Pound an Geld zuflossâŠ
- âWas Pound an Geld zufloss, stellte er stets in den Dienst der Kunst.â (S. 303)
- â[Er war] ein Mann, der mit GroĂzĂŒgigkeit reagiert, wenn ihn Kunst rĂŒhrt. In den Augen eines solchen Menschen besitzt der schöpferische Geist wahren Wert [âŠ].â (S. 303)
Geschenke vs. Lockmittel
- âZweitens setzen diese Strategien Geschenke als Köder ein. Die von Burger King verteilten Spielzeuge sind formal gesehen keine âGabenâ, sondern der Bestechung dienende Lockmittel [âŠ], um Kinder mittels der verpflichtenden Wirkung von Geschenken an ein Produkt zu binden. Damit dient die Bindung hier nicht dem Zuwachs, der aus dem Gabentausch resultiert, sondern allein dem Profit.â (S. 308)
Wucherer vs. Kaufmann
- âDer Wucherer ist eigentlich weder Bruder noch Fremder, da er vom Wechseln zwischen den beiden Bereichen lebt. Auf dem Bildschirm schmeichelt er sich morgens bei den Kindern ein, um nachmittags den MĂŒttern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Er ist ein anderer Typus als der simple Kaufmann, der zwar kein Interesse am Wohlergehen der Familie haben mag, aber zumindest Zucker als Zucker und Salz als Salz verkauft.â (S. 309)
- âKurz, der Wucherer nutzt Zuneigung und Einbildungskraft, um sein Produkt gewinnbringend wirken zu lassen.â (S. 309)
- vgl. MLM; get rich quick schemes
GeldgeschÀfte an die Peripherie verlegen
- âAls ein Weiser des Alten Testaments hĂ€tte er Pound lehren können, wie man seine Gaben schĂŒtzt und GeldgeschĂ€fte so an die Peripherie verlegt, dass das Leben im Inneren weitergehen kann.â (S. 331)
- GeldgeschÀfte an die Peripherie verlegen⊠Ein interessanter Gedanke. Aber wie?
Das âResĂŒmeeâ des Buches = Skizzierung des â3. Wegesâ
- âDer unĂŒberwindliche Widerspruch zwischen Gabentausch und Markt hat zur Folge, dass der KĂŒnstler in der modernen Welt einem stĂ€ndigen Spagat ausgesetzt ist: Sein Werk gehört der GabensphĂ€re an, dessen Kontext aber bildet die Warengesellschaft. Zumindest dachte ich so, als ich dieses Buch zu schreiben begann.â (S. 351)
- âJetzt denke ich anders. […] Es bestehen flieĂende ĂbergĂ€nge [âŠ]. Wenn KĂŒnstler in einer Marktwirtschaft leben wie Ezra Pound, so ist die Versöhnung der beiden SphĂ€ren anzustreben.â (S. 351)
- âDie Zulassung des Zinses ermöglicht ja einen Austausch zwischen diesen beiden SphĂ€ren, womit die Grenze durchlĂ€ssig wird. Nun kann sich Gabenzuwachs (nicht kalkulierende, positive ReziprozitĂ€t) in Marktzuwachs (kalkulierende, negative ReziprozitĂ€t) verwandeln und umgekehrt: Von auĂen einflieĂende Zinszahlungen mutieren im Inneren zu Gaben. So lassen sich theoretisch Gaben in Waren und Waren in Gaben konvertieren, anders gesagt, Gabenwerte funktionalisieren und Marktwerte erotisieren.â (S. 352)
- âWo alles Vermögen in Gaben flieĂt, kommt kein Markt zustande. […] Zwischen den beiden Polen gibt es jedoch eine goldene Mitte, in der eros und logos zusammenfinden.â (S. 352)
- Wie sollen KĂŒnstler in einer Marktwirtschaft ĂŒberleben, wenn Kunst im Wesentlichen eine Gabe ist?
- âZum einen lösen sie sich ein wenig von der Gabenökonomie und schlieĂen Frieden mit dem Markt.â (S. 353)
- KĂŒnstler bewahren sich âfĂŒr die Schaffensphase eine geschĂŒtzte GabensphĂ€re und treten anschlieĂend auf den Markt.â (S. 353)
- Genau das ist âSell your wisdom and buy bewildermentâ!
- Genau das ist Learner Mindset vs. Performance Mindset!
- âSofern sie dort Erfolg haben – das ist die notwendige zweite Phase – wandeln sie den Marktwert in Gabenwert um, als Beitrag zur Förderung der Kunst.â (S. 353)
- âEigentlich haben moderne KĂŒnstler drei Haupteinnahmequellen, Nebenverdienste, Gönner und Erlöse [âŠ]â (S. 353)
- Ein KĂŒnstler kann durch ErwerbstĂ€tigkeit (Nebenverdienste) gleichsam zu seinem eigenen Gönner werden! (S. 353)
- âErwerbstĂ€tige und geförderte KĂŒnstler ziehen in gewissem Sinne eine strukturelle Grenze zum Markt, wohingegen derjenige, der vom Verkauf seiner Werke lebt, nicht nur selbst ein GefĂŒhl dafĂŒr entwickeln, sondern auch eigene Rituale ausbilden muss, um die beiden SphĂ€ren sowohl auseinanderzuhalten als auch miteinander zu vereinbaren.â (S. 353)
- Das ist die Herausforderung fĂŒr KĂŒnstler als GrĂŒnder*innen auf den Punkt gebracht. Jeder Weg ist legitim, aber jeder braucht seine eigene Form der Anstrengung.
- âDoch bei der Realisierung einer Gabe darf der Markt nicht den Ton angeben, sondern erst ins Spiel kommen, wenn das Werk der Inspiration folgend vollbracht ist.â (S. 354)
- Design Thinking und AgilitĂ€t wĂŒrden das etwas anders sehen: Nicht zuerst das Werk schaffen, sondern so frĂŒh wie möglich den Markt befragen.
- Wie passt das zusammen???
- Aber auch diese Techniken beginnen mit dem kreativen Prozess…
- âWahre KĂŒnstler [werden] in der Regel nicht reich [..], sondern gerade ihr Auskommen haben.â (S. 354)
- Denn: âTreue zu den eigenen Gaben lĂ€sst kaum Kraft fĂŒr den Erwerbstrieb [âŠ].â (S. 356)
- âUm den Spagat zu schaffen, schalten KĂŒnstler oft Agenten ein.â (S. 354)
- âWie oben gezeigt, sind Gaben erst dann wirklich unser Eigen, wenn wir sie weggegeben haben. Der Begabte bekommt also nicht zu sich selbst, bevor er sich als HĂŒter fremden Vermögens versteht, das er stĂ€ndig auskehren muss.â (S. 356)
- âWenn der KĂŒnstler diese innere Armut bereitwillig annimmt, kann er eine gewisse Schlichtheit seines Ă€uĂeren Lebens gut ertragen – wohlgemerkt nicht Not, sondern Schlichtheit.â (S. 356)
- âIch will die Armut des KĂŒnstlers beileibe nicht romantisieren [âŠ].â (S. 356)
No story, no glory
- âWoher eine innere Gabe kommt, welche Dankesschuld sie uns auferlegt, wie und wem wir unsere Dankbarkeit ausdrĂŒcken sollen, inwieweit wir die Gabe sich selbst ĂŒberlassen und inwieweit wir sie disziplinieren, wie wir ihren Geist nĂ€hren und ihre VitalitĂ€t erhalten mĂŒssen – diese und alle anderen Fragen im Zusammenhang mit der Gabe lassen sich nur mit simplen Geschichten beantworten.â (S. 357)
Das Buch bietet keine Lösungen an
- âIch hatte gehofft, einen âprophetischen Entwurfâ schreiben zu können, also etwas möglichst âZeitlosesâ, und gerade deshalb ist Die Gabe kein sehr praxisnahes Buch. Zwar stellt es ein praktisches Problem dar – die Kluft zwischen Kunst und Erwerbsleben -, bietet aber keine Lösung an.â (S. 360)
Der Ăffentlichkeit werden Ideen entzogen
- âDurch ausufernde Urheberrechte werden der Ăffentlichkeit immer mehr Kunstwerke und Ideen entzogen. Die Walt Disney Company griff munter auf die Folklore zurĂŒck, um ihr Filmimperium zu begrĂŒnden (âSchneewittchenâ, âPinocchioâ), wenn jedoch heute jemand aus dem Volk etwas davon nutzen will, hat er rasch eine Abmahnung im Briefkasten.â (S. 366)
- âInsgesamt fĂŒhrte der Triumph des Marktes zur Kommerzialisierung zahlreicher Dinge, die wir frĂŒher fĂŒr kostenlos, darunter GemeingĂŒter sowohl natĂŒrlicher als auch kultureller Art, die wir fĂŒr nicht privatisierbar hielten.â (S. 366f)
âKommerz ist nicht ausgeschlossen, aber zweitrangig.â (S. 368)
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