Pero Mićić: Wie wir uns täglich die Zukunft versauen (2014) 📙

P

Meine Notizen

“Die Welt ist so, wie sie ist, weil der Mensch so ist, wie er ist.” (S. 43)

Langfristig denken ≠ langfristig handeln

“Eine schwache oder gar fehlende Umsetzung macht die Zukunftsanalyse zur reinen Ressourcen-Verschwendung.” (S. 55)

⇒ Oft fehlt es gar nicht an langfristigem Denken, sondern am Tun!

Der Preis für den Fortschritt

Der Preis, den der Einzelne für den Fortschritt bezahlt, war noch nie so gering wie heute. Früher konnte der Fortschritt sprichwörtlich lebensbedrohend sein und über Generationen Verzicht bedeuten. Heute ist die Existenz nicht mehr bedroht, auch wenn der Verlust des Arbeitsplatzes wohl für jeden immer noch eine einschneidende Erfahrung ist. Doch niemand wird wirklich fallengelassen. Sogar die Selbständigen werden in gewissem Umfang unterstützt. Wir müssen heute nicht mehr mit aller Macht an Bestehendem festhalten. Könnte man meinen. In der Realität sieht es anders aus.” (S. 79)

Verlust-Aversion ist ein Hund!

  • Ist im Menschen tief verankert.
  • “Seine recht bescheidenen Fähigkeiten zur Vorausschau macht es dem Menschen schwer, sich vorzustellen, dass und wie eine Veränderung etwas Besseres bringen wird. Und selbst wenn man der Vorstellung auf die Sprünge geholfen hat, ist die Angst, Bestehendes zu verlieren, regelmäßig größer als die Freude am Gewinn des Neuen.” (S. 86)
  • “Emotional mag das erklärbar sein, aber rational betrachtet ist das eine Katastrophe. Es regiert die Angst vor dem Neuen auf Kosten der Zukunft.” (S. 86)

Dopamin

Dopamin macht uns also nicht glücklich. Es macht uns nur süchtig. Süchtig nach der kurzfristigen Erfüllung unseres Verlangens, egal ob uns diese Erfüllung langfristig guttut oder nicht.” (S. 147)

  • ⇒ Viele Apps am Smartphone (TikTok, Gmail, Insta, Safari und Konsorten) machen mich nicht glücklich, sondern süchtig. Deswegen mein Wunsch nach Handy-Fasten, Digital Detox etc.

Im Grunde gut

Wann haben Sie das letzte Mal etwas aus rein böser Absicht getan? Ihnen fällt kein Moment ein? Sehen Sie, so geht das auch den anderen.” (S. 152)

“Die Angst vor dem Fremden und das Unverständnis für das Verhalten anderer fußen im Kern auf unserer Unfähigkeit, die positive Absicht des anderen zu sehen.” (S. 153)

“Der Mensch ist nicht prinzipiell schlecht. Es ist zwar nicht in jedem Fall berechtigt, aber in fast allen Situationen sehr nützlich, unseren Mitmenschen prinzipiell gute Absichten zu unterstellen.” (S. 153)

Wenn-dann-Falle

“Da wir nun mal lieber heute als morgen die Früchte genießen wollen und weil wir die Welt immer noch als berechenbare Maschine missverstehen, gehen unsere Eingriffe langfristig mehr oder minder schief.” (S. 172)

Veit Lindau sagt, das liegt an unserem Newton’schen Weltbild. Die Physik Newtons basiert auf Ursache-Wirkungs-Prinzipien. Wir lernen das in der Schule, und so stellen wir uns auch als Erwachsene noch die Welt vor: Wenn ich X mache, dann passiert Y.

Alle Systeme, die unser Schicksal bestimmen, sind komplexe Systeme, deren Verhalten nicht exakt prognostizierbar ist und die folglich auch nicht gelingsicher steuerbar sind.” (S. 173)

“Nicht, weil die Komplexität so groß ist, drohen wir als Menschheit zu scheitern. Wir sind gewissermaßen zu faul zu lernen, wie man langfristig gesehen sinnvoller denkt, entscheidet und handelt.” (S. 184)

Shifting Baselines

“In der Summe müssten wir aufschreien, doch weil die Zumutungen in kleinen Häppchen kommen, regen wir uns nicht auf. Wir lassen es geschehen und wir lassen es mit uns machen.” (S. 200)

Wir sind zukunftsdumm

“Wir können die Zukunft nicht fühlen, wir können sie nicht gut denken, weswegen wir auch so schlecht zukunftsgerichtet handeln können. Wir werden zukunftsdumm geboren. Unser Gehirn lässt uns oft wie triebgesteuerte, faule, vergnügungssüchtige Dummköpfe entscheiden und agieren.” (S. 204)

  • Wir müssen lernen, viel besser darin zu werden, uns unsere Zukunft vorzustellen — sagt auch Elke Höfler im Podcast bei Andreas Sator in Zusammenhang mit KI.

🔥 Vermarktungsfähigkeit vs. Spielfähigkeit (S. 219ff)

  • = ein Konzept aus der Filmbranche
  • Vermarktungsfähigkeit: Bringt das Publikum in die Kinos. Die Anziehungskraft des Filmes (z.B. durch Star-Besetzung).
  • Spielfähigkeit bestimmt, wie stark der Film weiterempfohlen und mehrfach angesehen wird (z.B. fesselnde Story).
  • Ein Spielfilm kann nur dann ein Blockbuster werden, wenn er sowohl vermarktungsfähig als auch spielfähig ist (z.B. TitanicAvatar).
  • Filme mit Top-Besetzung können floppen, wenn sie nicht spielfähig sind.
  • Die Menschen sagen zwar, dass sie sich am Wochenende gerne einen spielfähigen Film ansehen werden, aber wenn sie dann vor der Kinokasse stehen, entscheiden sie sich dann doch immer wieder für die “leichte Kost”, also den vermarktungsfähigen Film. (Das kenne ich auch vom Filmabend: Je kurzfristiger ich entscheide, desto “leichter” wird der Film.)

Beispiel Schindlers Liste: Der Film war spielfähig, aber kaum vermarktungsfähig. Was war die Lösung?

  • “Wer einen Film wie diesen vermarkten will, muss also das Publikum irgendwie dazu bringen, sich mindestens einige Tage vorher unwiderruflich für den Film zu entscheiden. Der kritische Punkt liegt also im Vorverkauf. Ist das Ticket erst einmal bezahlt, wird der Film auch gesehen. Hat der Zuschauer aber die Karte für dieses wichtige Werk noch nicht in der Tasche, sondern steht er spontan vor dem Kino, wird er sich eher für einen vermarktungsfähigen Streifen mit Brad Pitt und Angelina Jolie entscheiden.” (S. 220)
  • “Die Filmprofis boten intensiv Karten im Vorverkauf zu vorteilshaften Preisen an […].” (S. 221)
  • “Schindlers Liste war für das Kurzfrist-Hirn nicht attraktiv. Wer ihn aber gesehen hatte, schätzte den Film als wertvoll und horizonterweiternd ein und erzählte bewegt davon.” (S. 221)
  • vgl. “Pay what you can”: Dadurch wird ein Angebot vermarktungsfähiger bei eh schon hoher Spielfähigkeit → nachher sind alle begeistert und froh, dabei gewesen zu sein. ⇒ Preis ↑, Weiterempfehlungen ↑
  • 🔥 “Wer also will, dass eine langfristig vernünftige Option einer kurzfristigen, weniger angebrachten Alternative vorgezogen wird, muss dafür sorgen, dass sich der Entscheider mit der langfristigen Option rechtzeitig intensiv beschäftigt. Das “Sollte-Ich”, der innere Idealist, muss mit ihr in Kontakt kommen, er muss sich mit der Option intensiv verbinden können. Und dafür braucht der Entscheider einen spürbaren zeitlichen Vorlauf. Das heißt, der Effekt der Entscheidung darf nicht unmittelbar bevorstehen. Dann können wir die Kurzfrist-Falle umgehen.” (S. 222f)
  • z.B. zum Info-Webinar jetzt anmelden, aber der Kursstart ist eh erst im April → “vernünftigere” Wahl wird getroffen: Ich melde mich im März zu einem sinnvollen Kurs an, der aber erst im April startet — und im April kann ich dann kurzfristig nicht mehr aus.

Unser Future Me (und auch das Future We) funktioniert über Belohnung und Angst (S. 272):

  • Verheißung eines erstrebenswerten Zustandes (hin-zu-Motivation)
  • Angst vor etwas, das man unbedingt vermeiden möchte (weg-von-Motivation)

Peter Drucker über langfristigen Erfolg: “Glaubt ja nicht, dass Gewinn eine vierteljährliche Veranstaltung ist. Sechs bis sieben Jahre scheint mir die viel passendere Periode zu sein.” (S. 300)

  • vgl. Dorie Clark: The Long Game
  • “Würde jemand für die Dauer eines Jahres heiraten? Eltern sein wollen für ein Jahr? Einen auf ein Jahr befristeten Beruf ergreifen oder einen auf zwölf Monate ausgelegten Job zusagen? Je wichtiger eine Entscheidung, umso weiter muss unser Horizont sein.” (S. 300)

Entdecke mehr von schmatzberger.com

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.